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flüchtigen Teilaspekt von ihr. Andrea erinnert sich an sie von hinten, während sie die
große Treppe des Palazzo Roccagiovane hinaufsteigt:
Der Graf erkannte eine hohe, schlanke Gestalt, eine diamantenbesetzte Frisur, einen kleinen Fuß, der die Stufen
betrat. Dann, als auch er die Treppe emporstieg, konnte er die ganze Person von hinten betrachten. Sie ging,
langsam, weich, gleichsam gemessenen Schrittes vor ihm hinauf. Der Mantel, gefüttert mit Pelz, weiß wie
Schwanenfedern, fiel, da er von keiner Schnalle zusammengehalten wurde, lose über den Oberkörper und ließ
die Schultern unbedeckt. Sie schienen blass wie poliertes Elfenbein, geteilt von einer weichen Linie, mit
Schulterblättern, die sich im Spitzenbesatz des Mieders mit einem gewissen fluchtigen Bogen verloren, wie die
sanften Krümmungen von Flügeln; über den Schultern erhob sich beweglich und rund der Hals; vom Nacken
waren die Haare wie in einer Spirale zum Scheitel des Kopfes gewunden und bildeten dort einen Knoten, den
edelsteinbesetzte Haarnadeln hielten.[ 18 ]
Die dritte Beschreibung Elenas ist ebenfalls partiell. Wir sehen von ihr eine minimale
Geste, die auf den Protagonisten aber unmittelbar eine sinnliche Anziehung ausübt:
Sie antwortete nicht. Aber sie führte den Veilchenstrauß an die Nase und atmete den Duft ein. Bei dieser
Bewegung glitt der weite Ärmel des Mantels über den Arm bis zum Ellenbogen zurück. Der Anblick des
lebendigen Fleisches, das aus dem Pelz auftauchte wie weiße Rosen aus dem Schnee, fachte die Sinnenglut des
jungen Mannes noch stärker an, weil weibliche Nacktheit, wenn sie durch ein dichtes und schweres Gewand
nur schwach verhüllt ist, besonders aufreizend wirkt. Ein leises Beben bewegte seine Lippen; er hielt begehrliche
Worte nur mit Mühe zurück.[ 19 ]
Es ist nicht das erste Mal, dass ein «dichtes und schweres Gewand», in einfachen Worten:
ein Pelz, bei D'Annunzio diese Art von Empfindungen hervorruft. Im Dezember 1884
verfasst er unter dem Pseudonym Happemouche für die Zeitschrift «La Tribuna» eine
«mondäne Chronik». Unter dem Titel Cronachetta delle pellice (Kleine Pelzchronik) schreibt
er: «Nichts ist distinguiert sinnlicher als ein Fischotterpelz, der schon eine Zeitlang in
Gebrauch ist. Dann passen sich die Felle der Geschmeidigkeit des weiblichen Körpers an;
doch nicht mit der anschmiegsamen Leichtigkeit von Seide oder Satin, sondern mit einer
gewissen, nicht uncharmanten Schwere, und zwar von jenem sanften Charme, den mit
reichem Pelz ausgestattete Tiere in ihren diebischen Momenten haben. Immer eine Art
Blitz, eine Art plötzlicher Glanz, der der Bewegung vorausgeht oder sie begleitet und ihr
eine seltsame Schönheit verleiht.»
Erst bei ihrem vierten Auftreten erscheint Elena vor den Augen Sperellis endlich
vollständig und strahlend. Wir befinden uns in den Salons der Französischen Botschaft im
Palazzo Farnese, es ist gegen elf Uhr abends. Sperelli ist zu früh gekommen und verzehrt
sich vor Sehnsucht nach einem Wiedersehen mit Elena, die nicht kommt. Schon fürchtet
 
 
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