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Falschspiel erwischt wurde, gesellschaftlich ruiniert ist. Mit dieser Szene der
Trostlosigkeit und Verlassenheit, mit den Gepäckträgern, die die letzten Möbel und
Polster wegtragen - ein leicht durchschaubares Symbol für ein sehr viel radikaleres
Scheitern -, schließt der Roman.
Auf den nackten Plot reduziert hat Il piacere den Beigeschmack eines Feuilletonromans.
Seine «Modernität» liegt aber nicht im Plot, sondern in der psychologischen Verstrickung
der Figuren und in der Introspektion, der sich Andrea unterzieht. Vielleicht liegt die
eigentliche Kraft des Buches aber gar nicht einmal darin - Autoren ganz anderen Kalibers,
von Dostojewski bis Proust, waren d'Annnunzio bei der Entwicklung der Psychologie ihrer
Figuren zuvorgekommen -, sondern in der Beschwörung Roms und der römischen
Gesellschaft jener Jahre. Zwischen den Zeilen der Erzählung hat der Autor präzise
Hinweise auf die Zeit versteckt. Wir wissen, dass Il piacere um 15.25 Uhr des
31. Dezembers 1886 beginnt - das Datum wird durch das berühmte Incipit offenbart: «Das
Jahr starb, ziemlich sanft.» Es endet am Montag, dem 20. Juni 1887, kurz nach
Sonnenuntergang. Von der Chronologie der Ereignisse her betrachtet ist die Geschichte
(wie ihre Niederschrift) in einer Zeitspanne von sechs Monaten abgeschlossen. Die
psychologische Geschichte aber ist zeitlich sehr viel weiter angelegt, denn zu Beginn des
Romans ist die Beziehung zwischen Elena und Andrea bereits zu Ende, nur durch die
Erinnerungen des Helden dringt der Leser zu ihr vor.
Als Elena zum ersten Mal auftritt, beschreibt D'Annunzio ausschließlich ihre Kleidung.
Das einzige physische Kennzeichen, das er erwähnt, sind ihre Augen:
Sie stand noch in der Mitte des Zimmers, etwas zögernd und beunruhigt, obwohl sie schnell und leicht sprach.
Ein Mantel aus dem hellbraunen Tuch der Karmeliter, mit Ärmeln im Empirestil, oben gebauscht, glatt und mit
Knöpfen an den Handgelenken, mit einem großartigen Pelzkragen aus Blaufuchs als einzigem Accessoire, hüllte
die ganze Person ein, ohne der schlanken Figur die Grazie zu nehmen. Sie sah Andrea an, die Augen erfüllt von
einem gewissen Lächeln, welches den scharfen, forschenden Blick verschleierte.[ 17 ]
Auch als Sperelli vor seinem inneren Auge noch einmal die Umstände Revue passieren
lässt, unter denen er Elena kennengelernt hat, gewährt uns D'Annunzio nur einen
 
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