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sozialen Bezügen ausgestattet. Er will demonstrieren, dass trotz des Fortbestehens der
Klassenunterschiede zwischen den Schülern dieser berühmten dritten Grundschulklasse
eine Bindung entstehen kann, die auf Freundschaft oder wenigstens gegenseitigem
Respekt beruht. Wie der Kritiker und Literaturwissenschaftler Alberto Asor Rosa in seiner
Storia d'Italia (Geschichte Italiens, Band IV) sehr zutreffend schreibt, handelt es sich dabei
um die gleiche Art von Bindung, auf die sich das Schicksal eines künftigen Italien hätte
stützen können, wenn sie sich zu einem echten «Nationalpakt» konsolidiert hätte.
Die Trauerfeier für De Amicis (März 1908) fand unter außerordentlicher Anteilnahme
der Bevölkerung statt, wenige Jahre zuvor lediglich übertroffen von der Trauer um
Giuseppe Verdi. Weder die Trauer noch der Triumph von Cuore aber dürfen uns täuschen:
Der «Nationalpakt», das Konzept also, die Italiener zu Teilhabern eines allen gemeinsamen
Zugehörigkeitsgefühls werden zu lassen, zu Kindern desselben Vaterlandes, blieb und
bleibt bis heute ein eher fernes Ziel.
Auch Gabriele D'Annunzio schrieb Il piacere innerhalb von sechs Monaten, das sagt er
selbst am Ende des Manuskripts: «Francavilla al Mare, Juli bis Dezember 1888».
Rom gegen Turin: ein nur allzu unverbrämt pädagogisches Projekt gegen die Explosion
hedonistischer Sinnlichkeit oder, das Gegenteil, schmachtendes Sich-Verzehren, beide
gespeist aus der rücksichtslosen Suche nach dem, was der Titel explizit deklariert: Lust.
Bei De Amicis eine karge, funktionale Prosa, hier eine üppige, sinnliche, sehr gewählte
Sprache.
Wenige Jahre später, 1893, erinnert D'Annunzio in einem Zeitschriftenartikel an die
Atmosphäre, die er zu Beginn der achtziger Jahre in Rom vorfand.
Es war eine Zeit, in der die schnöde Betriebsamkeit der Destrukteure und der Konstrukteure auf Hochtouren lief.
Von dichten Staubwolken begleitet, griff eine Art Bauwahn um sich und löste einen unerwarteten Wirbel aus ….
Es war damals überall so, als grassiere eine ansteckende Vulgarität. Im unaufhörlichen Widerstreit der
Geschäfte, im beinahe grausamen Wüten der Gier und der Leidenschaften, in der chaotischen Ausübung
ausschließlich gewinnbringender Aktivitäten war jeder Sinn für Ästhetik, jeder Respekt für die Vergangenheit
beiseite geschoben.
So wirkte die Hauptstadt des Königreiches auf Gabriele D'Annunzio, der als ganz junger
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