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Einschlag, das andere sehr römisch. Zwei weit auseinanderliegende Städte, nicht nur, was
die räumliche Distanz angeht, sondern vor allem von so fundamentalen Unterschieden in
den geschilderten Lebensgewohnheiten und Wertvorstellungen, dass man sie beinahe als
einander wesensfremd bezeichnen könnte.
Edmondo De Amicis war 1846 in Oneglia (Ligurien) geboren worden, hatte gerade die
Dreißig überschritten und erfreute sich als kultivierter und gewissenhafter Journalist
einer gewissen Berühmtheit. Als Berichterstatter der Zeitschrift «L'Italia militare» war er
1870 bei der Eroberung Roms und dem historischen Durchbruch der Bersaglieri an der
Porta Pia dabei gewesen; wenige Monate später hatte er - auf einer Welle der Popularität
bei der Leserschaft - begonnen, eine Reihe von Kurzgeschichten über seine Reisen
zusammenzustellen und zu veröffentlichen: Spanien im Jahre 1872, Holland und London
1874, Marokko, Konstantinopel und Paris 1879. Heute würden wir sagen, seine Anfänge
waren die eines Reporters. Er schreibt eine flüssige, transparente Prosa, die durch ihre
Einfachheit besticht, betreibt gelegentlich Effekthascherei, setzt vor allem auf Gefühle.
Mit Vorliebe beschreibt er die kleinen Ereignisse, notiert akribisch und fein koloriert, was
er sieht, wählt mit Vorliebe die intime Perspektive. Dass er keine epische Größe hat,
weiß er. Seine Unzulänglichkeiten kompensiert er mit der Flucht in die Skizze, die kleine
Gesellschaftsnotiz.[ 2 ]
Durch seine beiden Söhne Furio und Ugo kommt er mit der Welt der scuola elementare,
der Grundschule, in Berührung, er hat aber bereits Jahre zuvor bei der einen oder anderen
journalistischen Gelegenheit Texte mit Tönen und Kadenzen geschrieben, die sich in Cuore
wiederfinden werden.
Ja, ich, der ich klein bin, der ich arm bin, ich, der ich mich von Schwarzbrot ernähre und in Lumpen
herumlaufe, ich, der ich der Welt unbekannt und für die wenigen, die mich kennen, Gegenstand des Mitleids
bin, ich kann, wenn ich will, wenn ich lerne, wenn ich mich anstrenge, an einem Tag zehntausend Menschen,
die Elite der Bürger meiner Stadt dazu zwingen, still zu sein, so wie sie es jetzt tun, um meinen Namen zu
hören, den Kopf zu recken, um mich zu sehen; zu raunen: Da ist er ja!; zu ihren in Samt gekleideten Kindern
sagen: Macht es wie er! … Wenn es sein muss, kann ich die Nacht aufbleiben. Ich habe kein Licht? Dann lasse
ich mir vom Nachbarn die Kerzenstummel geben.
 
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