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waren weder imstande, den Wandel der Zeit zu erkennen, noch auf die neuen
gesellschaftlichen Erfordernisse zu reagieren, die auf sie zukamen. Auf eine kleine
Oligarchie reduziert, machte sich die Regierung der Republik vor, sie könne die Situation
durch Einigelung und Verteidigung des Status quo aussitzen. Einer der größten Fehler, den
die Historiker der Republik zum Vorwurf machen, war die Verweigerung eines Bündnisses
zwischen der Stadtregierung und dem Adel des Festlands, was eine Zufuhr frischer Energie
und engere Verbindungen zwischen der Serenissima und dem Hinterland bedeutet hätte.
Das Gegenteil passierte, diese Verbindungen wurden gelockert, schlugen sogar in
Feindseligkeit um. Zu allem Überfluss wurde auch noch ein unentschlossener Mann wie
Ludovico Manin Doge, den ein Chronist der Zeit mit diesen Worten beschreibt: «Er hatte
buschige Augenbrauen, braune und blasse Augen, eine große Adlernase, eine vorstehende
Oberlippe, einen müden Gang, den Rücken leicht gebeugt. Dem Ausdruck seines Gesichts
abzulesen war die innerliche Erschütterung, die jede seiner Handlungen leitete und
beherrschte.» Dieses für einen politischen Führer nicht gerade schmeichelhafte Porträt
korrespondiert mit dem Charakter des Mannes, den wir aus seinen Handlungen ableiten
können: Er war unentschlossen in einem Augenblick, in dem höchste Entschlossenheit
vonnöten gewesen wäre.
Sein Name erinnert uns aber natürlich auch an den sehr viel verdienstvolleren von
Daniele Manin, mit dem Beinamen der «letzte Doge», der kurioserweise diesen letzten
Teil der Geschichte mit der des Ghettos verbindet. Daniele war jüdischer Abstammung.
Sein Großvater, Samuele Medina, war 1759 gemeinsam mit seiner Frau Allegra Moravia
konvertiert, beim Übertritt hatte auch sie den Namen des Taufpaten angenommen, der
eben Ludovico Manin war. Ludovico war an den Aufständen von 1848 in Venedig
beteiligt. Unter seiner Führung wurde die (von Österreich) unabhängige Repubblica di San
Marco ausgerufen. Von den Österreichern gefangengenommen, wurde er (gemeinsam mit
Niccolò Tommaseo) von der aufgebrachten Menge wieder befreit.
Von diesem historisch letzten Dogen, Ludovico Manin, kennen wir das vernichtende
Porträt Ippolito Nievos in seinem großen Roman Bekenntnisse eines Italieners. Nievo
skizziert mit ein paar Strichen seinen ängstlichen Charakter: «Bei dieser Gelegenheit
sprach der Durchlauchtigste Doge Ludovico Manin, während er im Raum auf und ab ging
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