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zurückgeführt werden konnte. Alle bis auf eine, die (etwa auf halber Höhe, rechts)
Darstellung zweier Märtyrer des neuen Bundes, San Biagio und Santa Caterina.
Michelangelo hatte Caterina nackt dargestellt, mit hängenden Brüsten, über das Fragment
eines Zahnrads gebeugt, Instrument ihres Martyriums. Ihre Körperhaltung und die des
Heiligen sind uns dank einer von Marcello Venusti angefertigten getreuen Kopie des
Werkes vor der Höschen-Intervention bekannt.
In diesem Falle konnte die Restaurierung nicht ausgeführt werden, weil Daniele sich
nicht darauf beschränkt hatte, der Heiligen Kleider überzuziehen, er hatte das
Originalfresko weggekratzt, neuen Putz darübergelegt und die beiden Figuren komplett
neu gemalt, wobei er ihre Positionen änderte. Bei Michelangelo war Caterina, wie schon
gesagt, nach vorne, Biagio von hinten über sie gebeugt, in einer Stellung also, die sexuell
gestörten Gemütern - wie es die allzu Keuschen nicht selten sind - einen coitus a tergo vel
more ferarum («Geschlechtsverkehr von hinten nach Art der Tiere») hätte suggerieren
können.
Erbärmliche Skrupel angesichts der machtvollen Tragik dieses Wandgemäldes. Der
Meister wäre empört gewesen, er, der es niemandem je gestattete, sein Werk in Frage zu
stellen. Das belegt eine weitere Anekdote. Während der Künstler die beinahe
unmenschliche Anstrengung unternahm, das Deckengewölbe der Sixtinischen Kapelle
auszumalen, also etwa fünfundzwanzig Jahre vor Vollendung des Jüngsten Gerichts,
begab sich Papst Julius II. Della Rovere, der Auftraggeber dieser Fresken, an den Ort des
Geschehens, um die Arbeiten zu inspizieren. Nachdem er sich ein wenig umgeschaut und
die eine oder andere Erläuterung erbeten hatte, ließ er eine gewisse Unzufriedenheit
erkennen. Insbesondere merkte er an, dass ihm die Malerei in ihrer Gesamtheit ein wenig
ärmlich vorkomme. Michelangelos Antwort, die nur ein Mann wie er die Stirn hatte, dem
Papst ins Gesicht zu sagen: «Die da gemalt sind, waren auch ärmlich.» Dabei blieb es, nach
allem, was bekannt ist.
Eine starke Reaktion, die zeigt, wie bewusst und konzeptionell der Maestro an seine
seine Kunst heranging. Sie zeigt darüber hinaus aber auch sein Selbstbewusstsein und
seine Charakterstärke. Er war ein Mann, der seiner Arbeit die Bedeutung beimaß, die sie
verdiente, und den Künstler auf die gleiche Höhe, wenn nicht noch höher stellte wie
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