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Taktgefühls vonseiten des Kaisers gegenüber seiner auf der Flucht befindlichen Tochter
und seinem Enkel, vielleicht sogar gegenüber seinem besiegten Schwiegersohn.
Bonaparte schreibt aus dem Exil auf der Insel Elba mehrfach an seine Frau. Zunächst
bittet er sie, dann befiehlt er ihr, zu ihm zu kommen. Es hatte einen bedeutsamen
Präzedenzfall gegeben, der dem Ex-Kaiser Anlass zur Hoffnung gab. Bei seinem Aufbruch
zum Russlandfeldzug im Mai 1812 hatte ihn Marie-Louise bis nach Dresden begleitet,
bevor er sich an der Spitze von 600.000 Männern, der größten Armee aller Zeiten, auf
den Weg nach Moskau begab. Chateaubriand notiert:
Als Bonaparte durch den Dresdner Palast ging, um sich zu einem Gala-Empfang zu begeben, lief er allen
vorneweg, mit dem Hut auf dem Kopf, gefolgt von Franz II. mit dem Hut in der Hand an der Seite seiner
Tochter, der Kaiserin Marie-Louise; hinterher kam in wahlloser Reihenfolge der Pulk der Prinzen in
respektvollem Schweigen.[ 8 ]
Dies ist eine geniale Skizze der Situation am Hofe, auch der hierarchischen Unterschiede
zwischen Schwiegersohn und Schwiegervater. Diese Zeiten sind nun vorbei. Der
Russlandfeldzug, bei dem er zwei Drittel der Armee verloren hatte, 400.000 Männer,
bedeutete Napoleons Ende. Waterloo wird nur noch der tragische Schlusspunkt sein. Die
Situation hat sich radikal verändert. Als Verbannter bittet Napoleon seine Frau, zu ihm zu
kommen, doch sie entzieht sich, entgegnet, sie wolle lieber nach Wien reisen, im Interesse
des gemeinsamen Sohnes und seiner persönlichen Zukunft. Chateaubriand kommentiert:
Marie-Louise war bestrebt, eilends zu ihrem Vater zurückzukehren; bei ihrer geringen Zuneigung zu Bonaparte
war ihr das ein Trost, und sie war erleichtert, von der doppelten Tyrannei des Gemahls und des Gebieters frei zu
sein.[ 9 ]
Süffisant notiert der große Chronist: «Sie fand eine Art und Weise, sich zu trösten.» Ein
«Trost», der sie in der Tat bis nach Parma begleiten und dort nach Kräften unterstützen
sollte. Über alle von ihr zu treffenden Entscheidungen berät sich Marie-Louise gern mit
General Neipperg, der ihr vom Vater zunächst als Berater zur Seite gestellt wurde. Graf
Adam Albert von Neipperg, brillanter Husarenoffizier, hatte in einer Schlacht das rechte
Auge verloren, tat sich im Gefecht wie auch als Gesandter am schwedischen Hofe hervor,
danach beim König von Neapel, Joachim Murat, den er (vorübergehend) davon
überzeugen konnte, sich gegen Napoleon zu stellen. Witwer und Vater von vier Kindern,
 
 
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