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die zum Titel dieses Kapitels geworden sind. Von jenem Moment an lebt Franziskus nur,
um das Wort des Herrn zu verkünden, den Geist des Evangeliums.
So stark, ja geradezu obsessiv die mystische Liebe auch war, die ihn durchdrang, ohne
Berücksichtigung des zeitlichen Kontexts lässt sich sein Verhalten nicht restlos erklären. In
diesen Jahren entspringen dem Schoß der Kirche einige monastische Strömungen, deren
Mitglieder sich unter anderem zur Armut verpflichten. Nicht nur dem einzelnen
Individuum, sondern auch der Gruppe und dem Kloster ist es verboten, etwas zu besitzen.
Das wenige, das zum Überleben notwendig ist, muss von Almosen oder durch eigener
Hände Arbeit kommen. Es waren «häretische» Strömungen (heute würden wir vielleicht
«protestantische» sagen), die diese Botschaft zuerst verbreitet hatten. Zum Beispiel die
Katharer und die Waldenser, die von den einfachsten und ärmsten Schichten der
Bevölkerung, die empört waren über den ostentativen Reichtum der hohen kirchlichen
Würdenträger, mit großer Begeisterung begrüßt wurden. So entstehen - um den Häresien
entgegenzuwirken - die «Dominikaner», die ihren Namen dem Begründer Domenico di
Guzmán verdanken, und die «Franziskaner», nach dem Namen unseres Franziskus. Die
breite pauperistische Bewegung fand auch innerhalb der Kirche Anklang, und dazu trugen
vor allem Franziskus' Enthusiasmus und seine Begeisterungsfähigkeit bei. Noch einmal in
den Worten von Thomas von Celano:
Bisher trug er ein Kleid ähnlich dem, wie es Einsiedler tragen: einen Gürtel um seine Lenden, einen Stab in der
Hand und Schuhe an seinen Füßen. Eines Tages aber - es war im Hochamt in genannter Kirche, vernahm er die
Worte des Evangeliums, wie der Herr seine Jünger zum Predigen aussandte. Kaum war die Messe vorüber,
begab er sich zum Priester und bat inständig, er möchte ihm jene Stelle erklären. Da erklärte ihm dieser alles der
Reihe nach, und der hl. Franz vernahm, die Jünger Christi sollten weder Gold noch Silber noch sonstiges Geld
haben, weder Beutel noch Brot noch Stab mitnehmen, sich weder mit Schuhen bekleiden noch zwei Gewänder
haben, sondern ihre Aufgabe sei, das Reich Gottes und Buße zu predigen [Mt 10,7-10; Mk 6,8-9; Lk 9,1-6,]. Da
brach er in Jubel aus in Gottes Geist: «Das ist es, was ich will!» rief er; «das ist es, was ich suche und von
ganzem Herzen will!»[ 7 ]
Manche Versionen der Franziskusgeschichte tendieren dazu, die Ereignisse und
Reaktionen zu verniedlichen. Diese tragen aber der dramatischen Atmosphäre nicht
Rechnung, in der Franziskus seine ersten Entscheidungen trifft. Sie vernachlässigen den
Argwohn, auf den seine Bewegung stieß und, als logische Folge, die Schwierigkeiten der
«Franziskaner», eine Zulassung als anerkannter Orden zu bekommen. Franziskus brauchte,
um seinen Weg weitergehen zu können und neue Mitbrüder anzuwerben, die päpstliche
 
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