Travel Reference
In-Depth Information
wurde gefangengenommen und im Kerker von Perugia festgesetzt. War es diese Zeit der
Gefangenschaft mit der Einsamkeit, dem Hunger, der Dunkelheit und dem Ungemach der
Zelle, die ihn zu einer radikalen Änderung seines Lebens bewog? So haben es einige seiner
Biographen (die man besser als Hagiographen bezeichnet) geschrieben. In Wahrheit
wissen wir es nicht; besser gesagt: Von diesen ersten Jahren ist fast nichts bekannt, was
als historisch einigermaßen zuverlässig gelten kann.
Franziskus gehört zu der Minderheit von Italienern, die ihr ganzes Leben dem Kampf
für die Durchsetzung eines Prinzips zu widmen vermögen - wenn man so will, einem
Ideal. Schon zu Lebzeiten wurde ihm Geisteskrankheit, Fanatismus unterstellt. Es ist
möglich, dass er an Anorexie litt und hysterische Anfälle hatte, doch sind diese
hypothetischen Krankheiten keine hinreichende Erklärung für die Ideale, die ihn mit
solcher Inbrunst erfüllten. Tatsächlich ist er ein Beispiel dafür, von welchem Maß an
Kohärenz die gesamte Existenz eines Menschen geprägt sein kann. In Franziskus' Leben
gibt es ein Geheimnis, es ist sein Leben selbst.
Als der Krieg 1203 zu Ende ging, war er einundzwanzig Jahre alt. Er hatte ungefähr ein
Jahr lang im Kerker gesessen und war freigelassen worden, nachdem sein Vater, der
reiche Kaufmann, ein hohes Lösegeld gezahlt hatte. Franziskus war immer von schwacher
Gesundheit gewesen, und gewiss hatte ihm die Gefangenschaft zugesetzt. Er verbrachte
eine Genesungszeit im Hause seiner Eltern, eng verbunden mit der damals wie heute sehr
lieblichen umbrischen Natur. Thomas von Celano,[ 2 ] einer seiner Mythografen, beschreibt
seine Jugendjahre vor der Bekehrung so:
Durch und durch weltlich waren in der Tat die ersten Anfänge dessen, den wir heute als Heiligen verehren (wie
er es wahrhaft auch ist). Bis etwa zu seinem 25. Jahre vergeudete und verlor er seine Zeit. Ja er übertrumpfte
noch seine Altersgenossen in jeglichem Leichtsinn, reizte andere zu bösen Streichen und war dabei selbst
eifersüchtig auf ihre Tollheiten. Von allen bewundert, richtete er seinen Ehrgeiz darauf, seine Kameraden zu
überflügeln in ausgelassenem Prunk, in lustigen Einfällen, Possen und allerlei Späßen, in leichten Liedern und
weichlichem Kleiderschmuck. Mit seinem Reichtum war er nicht knauserig, sondern verschwenderisch; er
häufte das Geld nicht an, sondern warf es hinaus mit vollen Händen. Und seine Manieren waren ihm eigen, wie
er überhaupt ein angenehmer und liebenswürdiger Gesellschafter war - nicht zum eigenen Vorteil: gab es doch
viele, die gerade deshalb ihm anhingen, weil sie sein Böses liebten und ihn zur Schlechtigkeit reizen wollten. So
schritt denn Franz durch Babylons Straßen, umschwärmt vom Tross schlimmer Gesellen, stolzen, erhabenen
Sinnes.[ 3 ]
Ob es an den Schrecken des Krieges lag, an den Meditationen während der
Rekonvaleszenz, am ausgiebigen Kontakt mit der Natur oder vielleicht, wie Thomas von
 
 
Search WWH ::




Custom Search