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Regionalorgane der Halbinsel funktionieren, die formal zwar identisch, je nach Region
aber sehr unterschiedlichen Umfeldbedingungen und Einflüssen ausgesetzt sind. Im Fokus
stand die Frage, in welcher Weise lokale Traditionen von Vereinswesen, bürgerlichem
Engagement und kooperativem Geist das politische Handeln beeinflussen. Das Ergebnis
war auch hier wieder die Feststellung bemerkenswerter Unterschiede zwischen den
Regionen des Nordens und des Zentrums auf der einen Seite und des Mezzogiorno auf der
anderen. Im Übrigen gibt es, wenn man die Dinge retrospektiv betrachtet, keinen Zweifel,
dass Kampanien und Piemont substantiell unterschiedliche Verwaltungsstrukturen
geschaffen haben: Das Piemont funktioniert, Kalabrien nicht.
Wie schon Banfield sieht auch Putnam einen klaren Zusammenhang zwischen dem mehr
oder weniger vorhandenen Maß an «Bürgersinn» und der Korrektheit und Zuverlässigkeit
der öffentlichen Verwaltungen, auch der Partizipation der Bürger und dem sinnvollen
Gebrauch der öffentlichen Gelder. Bei einem an verschiedenen Kriterien orientierten
Ranking stellt sich heraus, dass Regionen wie die Emilia, die Lombardei, die Toskana
überall in Spitzenpositionen landen, während Kalabrien, Kampanien und Sizilien konstant
Schlusslichter bleiben. Die Ursachen sehen die Autoren in den historisch gewachsenen
Strukturen, etwa in der hierarchischen Organisation des Lebens im Mezzogiorno. Putnam
schreibt:
Nur sehr wenige sind an den das Gemeinwohl betreffenden Entscheidungen beteiligt. Das Interesse für Politik ist
nicht von bürgerlichem Engagement geleitet, sondern vom Gehorsam anderen gegenüber oder von
Geschäftsinteressen. Die Mitwirkung in sozialen oder kulturellen Vereinen oder Verbänden ist selten. Selbst von
den Politikern wird die Korruption als die Regel betrachtet. Die demokratischen Prinzipien werden mit
Zynismus bedacht.
Im Norden dagegen, fährt der Soziologe fort, sind eine höhere Intensität und Häufigkeit
der sozialen Beziehungen und die Stärke der «bürgerlichen Gemeinschaften» eine Folge
und ein historisch verwurzeltes Erbe der alteingesessenen kommunalen Einrichtungen. Es
scheint, als sei man im Norden in weit höherem Maße fähig gewesen, das Interesse der
Individuen und der Familien mit dem Wohl der Gemeinschaft zu vereinbaren. Im Süden
dagegen habe es seit dem Mittelalter an kommunaler Erfahrung gefehlt. Während sich im
Norden von Gegenseitigkeit, Austausch und Kooperation charakterisierte horizontale
Beziehungen zwischen den Bürgern etablierten, also Bürgersinn entstand, überwogen im
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