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1799 nicht unerheblich zur Niederschlagung der Parthenopäischen Republik[ 22 ]
beigetragen hat, das die Patrioten von Sapri mit Gewehren und Hacken verfolgte, das den
anti-unitarischen Briganten Zuflucht gewährte; den großen Massen also, die
jahrhundertelang in tiefster Unwissenheit gehalten worden waren. Was hätten sie für eine
Wahl getroffen, wenn sie sich tatsächlich hätten frei äußern können? Und wenn sie dazu
überhaupt fähig gewesen wären? Diesen Punkt berühren die Verfasser des Massari-
Berichtes nicht, sie halten sich auch weder groß mit dem Vorgehen des italienischen
Heeres auf noch mit dem politischen Vorgehen der Einheitsregierung. Sie beschränken
sich darauf, das Thema völlig neu anzugehen und in der bourbonischen Misswirtschaft,
ihrem langen volksverdummenden Wirken (aus Desinteresse und Nachlässigkeit), den
korrupten Verhältnissen und einer ebenso ungeschliffenen wie erbarmungslosen
Herrschaft die zweite Hauptursache des Banditentums zu identifizieren:
Das Elend allein würde aber noch keine so gefährlichen Wirkungen hervorbringen, wäre es nicht von weiteren
Übeln begleitet, die von der unheilvollen Herrschaft der Bourbonen geschaffen und in den neapolitanischen
Provinzen hinterlassen wurden. Zu diesen Übeln gehören die sorgfältig gehegte und ausgebaute Unwissenheit,
der verbreitete und gesellschaftlich anerkannte Aberglaube; und vor allem das absolute Fehlen von Vertrauen in
Gesetz und Justiz. … Die Bourbonen haben sich mit ganzer Kraft dem ruchlosesten allen Vaterlandsverrats
gewidmet, nämlich einem ganzen Volk das Bewusstsein für das Richtige und das Rechtschaffene zu entziehen.
In Wahrheit gab es weitaus schlimmere Phänomene, die der Text nicht erwähnt. Zum
Beispiel die Komplizenschaft, die sich häufig zwischen den Großgrundbesitzern und den
Banden gebildet hatte, regelrechte «Koexistenz-Pakte», in denen im Ansatz bereits die
erpresserischen Muster erkennbar sind, die bis heute in Regionen mit hoher Mafia-Dichte
verbreitet sind. Die Banditen ließen den Herren ihren Bedarf an Proviant, Pferden,
Ausstattung mitteilen. Die Herren, oder «Ehrenmänner», sorgten dafür, dass in
irgendeinem ihrer Gehöfte alles bereitgestellt wurde. Nachdem ein paar Tage vergangen
waren, fiel die Bande ein und raubte alles; was es den Besitzern ermöglichte, bei den
zuständigen Behörden einen Antrag auf Schadenersatz zu stellen. Daran verdienten alle,
außer dem Staat, der in der paradoxen Situation war, die Briganten mit der einen Hand zu
bekämpfen und mit der anderen indirekt zu subventionieren.
Immer wieder ist versucht worden, dem süditalienischen Brigantentum die exklusive
Note einer politischen Revolte zu verleihen, indem man aus ihm, bei aller Brutalität, das
 
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