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denselben Tatbestand sein können:
Eine Räuberbande, angeführt von einem gewissen Pasquale Romano aus Gioia del Colle, einem ehemaligen
bourbonischen Sergeanten, überzog diesen anmutigen und fruchtbaren Landstrich auf traurige Weise mit allen
Arten von Raubüberfällen und Morden; Anfang Januar griffen die Kavalleriesoldaten von Saluzzo, befehligt von
der mutigen Nationalgarde von Gioia, die infame Bande an, töteten ihren Anführer und vernichteten sie.
Seitdem ist die Siedlung von Gioia frei und sicher.
Ausgerechnet in demselben Jahr 1863 schloss die parlamentarische
Untersuchungskommission zum Brigantismus unter dem Vorsitz Giuseppe Massaris, eines
liberalen Katholiken, Exponenten der historischen Rechten und Journalisten aus Apulien,
ihre Arbeit ab. Trotz der Einschränkungen, denen solche Kommissionsberichte immer
unterliegen, identifizierte der Abschlussbericht, verlesen in geheimer Sitzung der Kammer
vom 3. auf den 4. Mai, zutreffend einige Ursachen des Phänomens:
Die üblen Ratschläge des Elends gewinnen, wenn sie nicht durch Bildung und Erziehung in die Schranken
verwiesen werden, nicht gebremst sind von jener derb vereinfachten Religion, die man den Massen predigt, bei
diesen Unglücklichen die Oberhand, bestärkt noch durch das Spektakel des schlechten Beispiels, und so wird die
Gewohnheit, Verbrechen zu begehen, zur zweiten Natur. Die schwache Stimme des Moralempfindens ist
erstickt, und der Diebstahl wird nicht etwa verachtet, sondern ist zu einem einfachen und legitimen Mittel des
Auskommens und Verdienstes geworden … Das Brigantenleben ist von enormer Attraktivität für den armen
Bauern, der aus dem Vergleich mit dem mühevollen, armseligen Leben, das er zu führen verdammt ist, mit
Sicherheit keine nutzbringenden Konsequenzen für die gesellschaftliche Ordnung zieht …, und die Faszination
der Versuchung, sich kriminell zu betätigen, ist unwiderstehlich. … Von den 373 Briganten, die sich am 15.
April in den Gefängnissen der Provinz von Capitanata befinden, gehören 293 der armseligen Kategorie der
sogenannten braccianti [Tagelöhner] an. Wer keine Handbreit Land hat, das ihm gehört, wer nichts besitzt und
immer nur dem reichen Landbesitzer dient und sieht, wie dieser steinreich wird durch den Ertrag der Früchte
seines Schweißes, schlecht entlohnt, völlig ausgelaugt von der schlechten Behandlung, kann keine
Vaterlandsliebe, kein Gefühl von Respekt gegenüber der Gesellschaft entwickeln. Dort dagegen, wo das
Verhältnis zwischen dem Grundbesitzer und dem Bauern besser ist, wo dieser nicht als Nomade lebt und wo er
auf irgendeine Weise mit dem Land verwurzelt ist, dort kann der Brigantismus, wenn er auftritt, zwar die
Ruchlosen locken, die in keinem Teil der Welt fehlen, er kann aber keine tiefe Wurzeln schlagen und mit
größerer Leichtigkeit zerstört werden.
Das Massenelend ohne jeden Sinn für Gemeinschaft wurde also als Hauptursache gesehen
für die Ausbreitung der Briganten, jener «Gewohnheit, Verbrechen zu begehen», die sich
als «zweite Natur» eingenistet hatte. Gleichzeitig aber benannte der Bericht die politischen
Implikationen sowie die «importierten Gründe» an der Wurzel des Phänomens. Dazu
gehörte das subversive Agieren des Vatikans, der den Briganten auf seinem Staatsgebiet
Unterschlupf gewährte und ihre Unternehmungen finanzierte, dies im Bewusstsein, dass
die «römische Frage» früher oder später mit Gewalt gelöst werden würde und jede Aktion
zur Schwächung der Einheitsbewegung diesen bewaffneten Konflikt zumindest aufschob.
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