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Menschen zuweilen wie Volkshelden gefeiert, zumal es sich häufig um Bekannte handelte,
wenn nicht sogar Verwandte oder Nachbarn. Im Übrigen kommen - wenn man von den
Fällen vulgärsten Banditentums absieht, bei denen das Urteil einfach ist - in der Figur des
Briganten sehr verschiedene Aspekte zusammen. Aus einer radikalsozialen Haltung heraus
kann die kriminelle Komponente gerechtfertigt werden. Dies gilt aber auch, wenn man -
freilich etwas selbstgerecht - der Überzeugung ist, auf alles, was man für einen
politischen Übergriff hält, mit Waffengewalt reagieren zu müssen. Exemplarisch dafür ist
der berühmte und idealisierte Fall des Sergente Pasquale Romano.
Pasquale Domenico Romano wurde 1833 in Gioia del Colle (Apulien) geboren. Er
entstammte einer Hirtenfamilie. Im bourbonischen Heer rekrutiert, stieg er in den Rang
eines Sergeanten auf. Als seine Abteilung nach der Einheit Italiens aufgelöst wurde,
beschloss er, den bewaffneten Kampf gehen die Piemonteser aufzunehmen. Eine seiner
aufsehenerregendsten Aktionen war die Besetzung von Gioia del Colle, wo es ihm gelang,
das Savoyer Heer in die Flucht zu schlagen, nicht zuletzt dank der Hilfe der ortsansässigen
Bevölkerung. Gleichzeitig setzte er sein Banditen-Unwesen und die Zerstörung der
Bauernhöfe von Liberalen und Ex-Garibaldinern der Region fort, die als «Verräter am Volk
des Südens» angesehen wurden. Seine Verfolger rückten immer näher, 1863 schließlich
wurde er in den Wäldern bei seinem Heimatdorf ausfindig gemacht und überwältigt.
Bevor er starb, soll er ausgerufen haben: «Evviva 'o rre!» - «Es lebe der König!» Aber das
ist vielleicht nur eine Legende. Keine Legende dagegen ist die Verehrung, die die Bauern
des Ortes seinem geschundenen Leichnam entgegenbrachten. Der französische
Schriftsteller Oscar de Poli erhob ihn zum königstreuen Helden und beschreibt die Szene
so:
Sergeant Romano war von der Piemonteser Kavallerie auf der Via di Mottola mit Säbeln in Stücke gehauen
worden. … Alle Bewohner des Dorfes wollten die unkenntlichen Reste des heldenhaften Briganten ein letztes Mal
bewundern. Man ging dorthin wie zu einer durch Martyrium geheiligten Pilgerfahrt: Die Männer bedeckten ihr
Haupt, die Frauen knieten nieder, fast alle weinten; so nahm er die Trauer und die Bewunderung seiner
Landsleute mit ins Grab.[ 18 ]
Der Widerspruch zwischen diesem Genrebild und der Einschätzung eines Berichts, der
dem Parlament des Königreichs über denselben Vorfall vorgelegt wurde, zeigt mit
drastischer Eloquenz, wie weit voneinander entfernt die Standpunkte über einen und
 
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