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Bis vor wenigen Jahren wurde daher kaum in die Ausbildung von Mechanikern,
Klempnern, Elektrikern oder Schreinern investiert. Die stehen nun oft ratlos
vor modernen Technologien. Mangelnde Produktivität ist das größte Problem
der brasilianischen Industrie; viele Firmen sind der internationalen Konkur-
renz nicht gewachsen. Früher hat die Regierung die Unternehmen mittels hoher
Einfuhrzölle vor ausländischer Konkurrenz geschützt, erst in den 1990er Jah-
ren öffnete sie allmählich den Markt für Importprodukte. Dieser Protektionis-
mus heizt jedoch die Inflation an: Die einheimischen Firmen sind nicht in der
Lage, die Nachfrage zu befriedigen, und erhöhen die Preise.
Auch die Hoffnungen auf einen Boom der Energiewirtschaft haben sich bis-
lang nicht erfüllt. Dabei ist das riesige Land mit natürlichen Energiequellen ge-
segnet, es bezieht über 90 Prozent seiner Energie aus Wasserkraftwerken.
Mit der Wirtschaft wächst auch der Energiebedarf, doch der Bau neuer Stau-
dämme kommt nur langsam voran. Die größten Flüsse liegen im Amazonasge-
biet, dort will die Regierung in den kommenden Jahren Hunderte neuer Was-
serkraftwerke bauen. Indianer, Kleinbauern und Umweltschützer leisten erbit-
terten Widerstand.
Zu spät und zu wenig hat die Regierung in den Ausbau alternativer Energien
wie Wind und Sonne investiert, obwohl das Land beides im Überfluss besitzt.
Auch die Pläne ihres Vorgängers Lula für einen Ausbau der Atomenergie hat
Präsidentin Rousseff zurückgefahren.
Lula war es, der im Jahr 2008 die Entdeckung riesiger neuer Ölfelder im
Meeresboden vor den Bundesstaaten Espírito Santo, Rio de Janeiro und São
Paulo vermeldete. Allerdings liegen diese Vorkommen zwischen 6000 und
7000 Meter tief, ihre Erschließung ist extrem schwierig und riskant. Um Ar-
beitsplätze zu schaffen, ordnete Lula an, dass die Schiffe, Sonden und anderes
Spezialgerät zur Ausbeutung dieser Vorkommen in Brasilien gebaut werden.
Das hat die Produktion enorm verteuert und verzögert, die brasilianische Ölin-
dustrie war weder technologisch noch von ihrer Kapazität her auf diese Heraus-
forderung vorbereitet.
Bis zur Entdeckung des Tiefsee-Öls hatte Lula vor allem auf den Ausbau der
Biotreibstoffe gesetzt. Nach der ersten Ölkrise in den 1970er Jahren hatte die
Militärdiktatur ein Programm zur Entwicklung alkoholbetriebener Autos ange-
schoben, genannt »Proalcool«. Der Treibstoff wird aus Zuckerrohr gewonnen,
das in Brasilien großflächig angebaut wird. Die ersten alkoholbetriebenen Autos
steckten allerdings voller Macken, oft sprangen sie nicht an, die Zündung bock-
te. »Proalcool« verkümmerte zu einer Nischenveranstaltung; die Alkoholautos
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