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demokratische Verhältnisse und eine konsumfreudige Mittelschicht.« Drei Jah-
re später fielen die Rohstoffpreise.
Brasiliens Infrastruktur ist eines der Probleme. Es gibt kaum Eisenbahnlini-
en, auf denen Massengüter wie Soja transportiert werden können, die meisten
Waren werden mit Lastwagen über Tausende von Kilometern zu den Häfen und
urbanen Zentren des Südostens geschafft. Die Fernstraßen sind vollkommen
überlastet, Autos und Lastwagen quälen sich über Schlaglochpisten. In Ma-
to Grosso und im Amazonasgebiet tanzen die Lastwagen Elefantenballett über
Hunderte von Kilometern: So nennen es die Fahrer, wenn sie um Schlaglöcher
und Bodenwellen herumkurven. Vor den ebenfalls überlasteten Häfen stauen
sich die Sojalaster zur Erntezeit über Dutzende Kilometer.
Die Abfertigung eines Containers dauert doppelt oder dreimal so lange wie
in Europa, weil die Bürokratie immens ist. Korrupte Zollinspektoren und Ge-
werkschaften kassieren bei den Speditionen ab; ohne Schmiergeld geht meist
gar nichts.
Brasiliens Steuersystem ist so kompliziert, dass kleine Firmen oft resigniert
aufgeben: Es gibt Hunderte verschiedener Abgaben, die überdies von Bundes-
staat zu Bundesstaat variieren. Die Steuern addieren sich zu einer Abgabenkas-
kade; ein in Brasilien produziertes Auto kostet wegen der hohen Steuern meist
ein Drittel mehr als in den Nachbarländern oder den USA. Steuerhinterziehung
ist weit verbreitet. Zwar wurden die Finanzämter in den vergangenen Jahren
besser ausgestattet und nehmen häufiger Prüfungen vor, aber von der Effizienz
eines deutschen Finanzamts sind sie Lichtjahre entfernt.
Auch die schlechte Ausbildung vieler Brasilianer belastet die wirtschaftliche
Entwicklung. Vor allem die Grundschulen sind oft in desolatem Zustand, Leh-
rer sind schlecht ausgebildet und streiken gern. Viele Firmen klagen über die
mangelnden Fremdsprachenkenntnisse ihre Beschäftigten; multinationale
Großkonzerne müssen ihren Managern oft Nachhilfeunterricht in Englisch er-
teilen.
Es gibt keine geregelte Berufsbildung, das ist eine weitere Hürde. Wer einmal
sein Haus oder seine Wohnung in Brasilien renoviert hat, ist oft fürs Leben
traumatisiert. Grundsätzlich kann man nur Handwerkern vertrauen, die von
Freunden oder Verwandten erprobt und empfohlen wurden. Brasilianische
Handwerker sind meist sehr gewitzt im Improvisieren, aber ihnen fehlt oft die
nötige Kenntnis für komplizierte Werkstoffe oder Technologien.
Manuelle Arbeit wird seit Kolonialzeiten gering geschätzt und wurde früher
auch schlecht bezahlt - dafür hatte man seine Sklaven oder Hausangestellten.
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