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Nur im Fußball und in der Musik fällt Afrobrasilianern der gesellschaftliche
Aufstieg leicht. Die meisten berühmten Sambamusiker sind afrikanischer Ab-
stammung. Überdurchschnittlich viele Schwarze finden sich auch in den Streit-
kräften und in der Polizei. Für arme Familien ist es das Höchste, wenn ihr Sohn
einen Job als Soldat ergattert, damit kommt er automatisch in den Genuss ei-
ner Krankenversicherung, und seine wirtschaftliche Zukunft ist gesichert.
In den traditionellen Berufen der brasilianischen Elite sind Schwarze dage-
gen selten: Es gibt wenige afrobrasilianische Ärzte und Anwälte, auch als In-
genieure oder Architekten sind sie eine Ausnahme. Regierungsposten werden
ebenfalls nur selten mit Schwarzen besetzt. Das gilt auch für die PT-Regierun-
gen: Im Kabinett von Präsident Lula war nur die Ministerin für Gleichstellungs-
fragen Afrobrasilianerin; auch unter Präsidentin Rousseff gibt es kaum Schwar-
ze in der Regierung.
Im Kongress und den Landesparlamenten sitzen mehrheitlich weiße Abge-
ordnete.
Nur in der Justiz ist einem Schwarzen der Aufstieg nach ganz oben geglückt:
Der Afrobrasilianer Joaquim Barbosa wurde 2012 zum Präsidenten des Obers-
ten Bundesgerichts ernannt. Sein Aufstieg ist umso bemerkenswerter, weil er
auch zu einem Idol der Protestbewegung wurde. Barbosa trat für die Verurtei-
lung der Angeklagten im »Mensalão«-Korruptionsverfahren ein und wird als
möglicher Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen 2014 gehandelt, obwohl er
eine Karriere in der Politik immer ausgeschlossen hat.
Die ehemalige Hausangestellte Benedita da Silva aus Rio de Janeiro schaffte
es unter Lula vorübergehend zur Sozialministerin, als Vizegouverneurin von
Rio de Janeiro übernahm sie nach dem Rücktritt des Amtsinhabers für einige
Monate die Regierung des Bundesstaats. Doch diese Karrieren sind Ausnah-
men.
Um den Anteil der Afrobrasilianer unter den Studenten zu erhöhen, hat
Lula während seiner Amtszeit ein Gesetz angestoßen, das die Universitäten ver-
pflichtet, Quoten für Schwarze, Arme und ethnische Minderheiten freizuhalten.
Unter seiner Nachfolgerin Rousseff wurde es mit einigen Änderungen verab-
schiedet.
Als Vorbild diente die »Affirmative Action« in den USA. Die Quote ist abhän-
gig vom Anteil der Afrobrasilianer im jeweiligen Bundesstaat; in Bundesstaaten
mit vielen Afrobrasilianern ist sie höher als in »weißen« Regionen. Wie voraus-
zusehen, stieß die Quotenregelung vor allem in der Mittel- und Oberschicht auf
Widerstand. Sie würde dazu führen, dass der Qualitätsstandard im Bildungswe-
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