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Die
Rebellion
der
Bürgerkinder
-
Brasilien
in
der
Modernisierungskrise
Anfang Juni 2013 fuhr ich zum Eröffnungsspiel des Confederations-Cup nach
Brasília. Brasilien spielte gegen Japan, Präsidentin Rousseff und Fifa-Chef Sepp
Blatter wurden erwartet, der Karnevalsspezialist Paulo Barros hatte eine far-
benprächtige Eröffnungsshow konzipiert. Wenige Tage vor dem Spiel hatten in
São Paulo einige tausend Menschen gegen die Erhöhung der Busfahrpreise um
20 Centavos protestiert, die Polizei hatte die Demonstranten brutal zusammen-
geprügelt und mit Tränengas und Gummikugeln beschossen. Mehrere Men-
schen waren schwer verletzt worden, darunter Fotografen und Journalisten.
Die Bewegung für Nulltarif bei öffentlichen Verkehrsmitteln (MPL) hatte die
Protestaktion organisiert, sie kündigte neue Demos an.
Auch vor der Eröffnung des Confed-Cups sollte protestiert werden. Der Gou-
verneur von Brasília hatte ein riesiges Polizeiaufgebot zum Schutz des Stadions
und der Fußballfans bestellt. Etwa 5000 Demonstranten hatten sich vor dem
Fußballspiel versammelt, sie protestierten gegen die exorbitanten Kosten des
Stadions. 1,4 Milliarden Real, rund 500 Millionen Euro, hatte die »Arena Mané
Garrincha« gekostet, fast doppelt so viel wie ursprünglich veranschlagt. Dabei
war abzusehen, dass sich das Stadion nach der Weltmeisterschaft in einen
»Weißen Elefanten« verwandeln würde - so nennen die Brasilianer leerstehen-
de Prachtbauten und Bauruinen. Brasília hat keinen nennenswerten Fußball-
verein, der das Stadion nach der WM füllen könnte, die meisten Fußballfreunde
der Hauptstadt sind Fans von Clubs aus Rio oder São Paulo.
Nicht nur beim Bau des Stadions von Brasília waren die Kosten explodiert;
bei den meisten WM-Arenen hatten die Verantwortlichen ihr Budget um min-
destens 20 Prozent überzogen. Drei weiteren Stadien droht dasselbe Schicksal
wie Brasília: Auch die Arenen von Manaus, Natal und Cuiabá werden nach der
WM voraussichtlich leer stehen oder weit unter ihrer Kapazität genutzt, keine
dieser Städte besitzt einen großen Fußballverein.
Sportminister Aldo Rebelo hatte die Gesamtkosten der WM auf umgerechnet
13 Milliarden Euro geschätzt, damit wird sie ungefähr doppelt so teuer wie die
WM in Südafrika 2010. Ricardo Teixeira, der inzwischen zurückgetretene Präsi-
dent des brasilianischen Fußballverbands CBF, hatte 2007, kurz nachdem Bra-
silien den Zuschlag für die WM erhalten hatte, versichert, dass der Staat nicht
einen Centavo für die Stadien auszugeben brauche, alle Bauten würden privat
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