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Brasiliens eiserne Lady pflegt einen anderen Regierungsstil als ihr jovialer
Vorgänger. »Lula gehorchte seinen Eingebungen und Gefühlen«, sagt Carvalho.
Rousseff dagegen ist im Umgang mit Mitarbeitern distanziert, sie hasst Kunge-
leien mit Parteigrößen, Gouverneuren und Abgeordneten.
Lula flog jede Woche in irgendeinen Winkel des Riesenlandes, in der Haupt-
stadt hielt er es selten länger als zwei Tage aus. Seine Nachfolgerin sieht man
häufiger im Büro als im Regierungsairbus. Auch in außenpolitischen Fragen
setzt Rousseff sich von ihrem Vorgänger ab: Mahmud Ahmadinedschad, bis
Mitte 2013 Präsident des Iran und von Lula einst aufs herzlichste empfangen,
machte auf seinen Lateinamerikareisen einen weiten Bogen um Brasilien, nach-
dem Rousseff Präsidentin geworden war. Sie hatte das Mullah-Regime schon
vor ihrem Amtsantritt scharf für seinen mittelalterlichen Umgang mit Frauen
kritisiert.
Rousseff wohnt - zusammen mit Mutter und Tante - im Alvorada-Palast,
der offiziellen Residenz der brasilianischen Präsidenten. Ihr engster Vertrauter
ist Carlos Araújo, der Ex-Mann und Vater ihrer Tochter, ein Mitstreiter aus ge-
meinsamen Tagen bei der Guerilla. Während der ersten zwei Jahre ihrer Amts-
zeit hat sie sich immer stärker isoliert. Sie ist kein Kommunikationstalent wie
Lula; ihre Reden liest sie meist vom Blatt, ihr Duktus ist schwer und bürokra-
tisch. Wenn ihr etwas nicht passt, wird sie oft laut und unwirsch, Mitarbeiter
und Minister zittern vor ihr. Lula wurde von den Bediensteten im Regierung-
spalast geliebt, er kam zu Betriebsfesten und verteilte Weihnachtsgeschenke.
Rousseff dagegen wahrt Distanz. Während Lula seinen Ministern große Freihei-
ten einräumte, kümmert Rousseff sich um jedes Detail, sie zieht viele Entschei-
dungen an sich und delegiert nicht gern.
All diese Eigenschaften sahen die Brasilianer ihrer Präsidentin nach; sie bau-
ten darauf, dass sie effizient regieren würde und die Korruption bekämpfte.
Doch Lula hatte ihr nicht nur eine boomende Wirtschaft hinterlassen, sondern
auch eine Menge Probleme. Die Allianz mit der PMDB erwies sich als Handicap.
Rousseffs Eifer bei der Bekämpfung von Vetternwirtschaft und Korruption er-
lahmte, als er die Basis ihrer Regierung gefährdete. Um die Gier der verbünde-
ten Parteien nach einflussreichen Posten zu stillen, richtete Rousseff mehrere
neue Ministerien ein und blähte so den Regierungsapparat unnötig auf. Mitte
2013 umfasste ihr Kabinett 39 Minister, das waren mehr als unter jedem ihrer
Vorgänger.
Dennoch wirkte ihre Regierung wie gelähmt. Das erste Amtsjahr war
Rousseff vor allem mit dem Kampf gegen die Korruption beschäftigt. Wichtige
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