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Allerdings war dieser Erfolg nicht allein Lulas Verdienst: Er hatte das Glück,
dass er an die Macht kam, als die Preise für Rohstoffe und Agrarprodukte stie-
gen, Brasiliens wichtigste Ausfuhrgüter. China kaufte den größten Teil der bra-
silianischen Sojaproduktion und stieg innerhalb weniger Jahre zum wichtigs-
ten Handelspartner auf. Die USA und Europa verloren wirtschaftlich an Bedeu-
tung. Jahrelang hatte das Wirtschaftsbündnis Mercosul (spanisch: Mercosur,
Gemeinsamer Markt des Südens), in dem Brasilien den Ton angab, mit der Eu-
ropäischen Union über ein Freihandelsabkommen verhandelt, jetzt zeigte die
Regierung nur noch geringes Interesse. Der Regierung Lula waren die weltwei-
ten Verhandlungen für ein internationales Handelsabkommen wichtiger, die
Südamerikaner schwangen sich zum Wortführer der Schwellenländer auf.
Auch außenpolitisch schlug Lula neue Töne an. Bei internationalen Konflik-
ten hatte Brasília früher diskret agiert: Seit der Staatsgründung gilt Nichteinmi-
schung in die Angelegenheiten anderer Staaten als Maxime brasilianischer Po-
litik.
Lula beendete die Leisetreterei. Er setzte erstmals auf eine neue Süd-Süd-
Achse in den internationalen Beziehungen, sie sollte von Brasilien über Afrika
bis nach Indien und China reichen. Vor allem in Afrika knüpfte Lula viele neue
Kontakte, er sah in dem schwarzen Kontinent einen natürlichen Verbündeten
und Absatzmarkt für brasilianische Firmen. Er baute die Beziehungen zu An-
gola und Mosambik aus und eröffnete in Dutzenden afrikanischer Länder neue
Botschaften und Konsulate. In Südamerika setzte er sich für die Gründung des
Bündnisses Unasur ein, der Union südamerikanischer Staaten. Diese Organisa-
tion wurde innerhalb weniger Jahre zu einer echten Konkurrenz für die Orga-
nisation Amerikanischer Staaten. Für die Latinos hatte sie den Vorteil, dass die
USA nicht Mitglied waren.
In Honduras zeigte der sanfte Koloss Brasilien erstmals Krallen. Dort hatte
eine Gruppe von Militärs und reaktionären Unternehmern im Jahr 2009 den
gewählten Präsidenten Manuel Zelaya gestürzt. Er ging zunächst ins benach-
barte Nicaragua ins Exil, von dort aus schaffte er es auf verschlungenen Wegen
nach Tegucigalpa zurückzukehren und suchte in der brasilianischen Botschaft
Zuflucht. Putschistenführer Roberto Micheletti setzte den Brasilianern ein Ul-
timatum, den Rivalen binnen zehn Tagen auszuliefern. Darauf teilte Präsident
Lula mit, Zelaya könne in der Botschaft bleiben, so lange er wolle. Mittelameri-
ka zähle zum brasilianischen Interessensgebiet.
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