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steigenden Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt einen Ausverkauf brasiliani-
scher Anbauflächen.
Lula verstand sich hervorragend mit den Großgrundbesitzern. Die Regierung
förderte den Anbau von Soja und Zuckerrohr für Biotreibstoff, obwohl die Plan-
tagen in vielen Regionen die Kleinbauern verdrängen - dabei liefern familiäre
Kleinbetriebe 70 Prozent der Lebensmittel, die täglich in brasilianischen Haus-
halten konsumiert werden. »Agrobusiness und Familienlandwirtschaft lassen
sich nicht miteinander vereinbaren«, kritisierte Ibase-Direktor Menezes.
Das war nur einer der vielen Widersprüche der Ära Lula. Sie wurden über-
deckt von dem Charisma des Präsidenten. Mehr als seine freundliche Haltung
gegenüber dem Agrobusiness und der Großindustrie enttäuschte sein laxer Um-
gang mit der allgegenwärtigen Korruption viele junge Leute, die ihn gewählt
hatten. Lula hatte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, um zu regieren: Er
schloss eine Allianz mit Brasiliens größter Partei PMDB, die wegen der Kor-
ruption in ihren Reihen berüchtigt war. Sein Kabinettschef José Dirceu über-
nahm die Schmutzarbeit für den Präsidenten: Er hielt das Regierungsbündnis
mit allen Mitteln zusammen. Dirceu verteilte unter der Hand monatliche Geld-
zuweisungen an die Abgeordneten der verbündeten Parteien, damit diese bei
Abstimmungen für die Regierung votierten. Dieses »Mensalão« genannte Kor-
ruptionsschema flog im Jahr 2004 auf, als Roberto Jefferson, einer der ver-
bündeten Abgeordneten, gegenüber der Presse auspackte. Er hatte nicht etwa
moralische Bedenken bekommen, sondern war sauer, weil die Regierung ihm
einen lukrativen Posten bei der staatlichen Post verweigerte. Die Affäre wuchs
sich rasch zum größten Skandal der Ära Lula aus. Mehrere enge Mitarbeiter des
Präsidenten mussten zurücktreten, weil sie in das mafiöse Geflecht verwickelt
waren, darunter der einstige PT-Präsident und Ex-Guerrillero Jose Genoíno, ei-
ne Legende der brasilianischen Linken. Lula selbst beteuerte, dass er von dem
Korruptionsschema nichts gewusst habe, es gibt keine Beweise gegen ihn. Den-
noch fällt es schwer zu glauben, dass seine Vertrauten ihn nicht über den »Men-
salão« informiert hatten.
Die in den Skandal verwickelten Politiker wurden nach einem aufsehenerre-
genden Prozess im Jahr 2012 zu hohen Haftstrafen verurteilt. Doch wie so oft
in Brasilien, gelang es ihren Anwälten mit juristischen Tricks, die Bestrafung
immer wieder zu verschleppen. Lulas Vertrauter Dirceu war auch nach seiner
Verurteilung als Brückenbauer für die PT tätig: Er knüpfte Kontakte für Lula
und dessen Nachfolgerin Dilma Rousseff in vielen lateinamerikanischen Län-
dern sowie in Spanien.
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