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Da Silva erhält eine staatliche Rente in Höhe von einem Mindestlohn, etwa
220 Euro pro Monat. »Mir ging es noch nie so gut«, bekannte der stolze Vater
von inzwischen 14 Kindern. Sein zweitjüngster Sohn João, 23, wohnte bei ihm.
Er war wohlgenährt und überragte seinen Vater um 40 Zentimeter. Einmal ha-
be er einen Antrag auf Bolsa Família eingereicht, erzählte da Silva. Aber die
Auszahlung wurde abgelehnt: Mit seiner Rente lag der ehemalige Landarbeiter
über der Einkommensgrenze für Bedürftige.
Auch Kinderarzt Zisman räumte ein, dass heute nur noch vereinzelt Men-
schen im Nordosten hungern. In den Krankenhäusern von Recife werden kaum
noch unterernährte Kinder eingeliefert. Das Schwellenland Brasilien leidet heu-
te unter einem Phänomen, das vor allem aus Industriestaaten bekannt ist: Die
Fettleibigkeit hat dramatisch zugenommen. Millionen Brasilianer sind überge-
wichtig - eine Folge von Fehlernährung, so Zisman: »Vor allem die Armen kon-
sumieren zuviel Fett und Zucker.«
Die Regierung versucht gegenzusteuern. Ernährungsspezialisten beraten
Kindergärten und Schulen bei der Aufstellung des Speiseplans, in den Favelas
werben sie für den Konsum von Früchten und Gemüse. Doch die Fehlernäh-
rung ist nicht nur eine Frage des Geschmacks: Gesunde Lebensmittel sind oft
teurer als kalorienhaltige Billigkekse oder fettes Fleisch zweiter Wahl.
Als im Jahr 2008 die Preise für Lebensmittel drastisch anstiegen, nahm auch
die Anzahl der Hungerleider unter den Empfängern von Bolsa Família auf 20
Prozent zu.
Die Regierung vergab daraufhin verbilligte Kredite an die Bauern, um die
Kostensteigerung aufzufangen. »Wir werden nicht zulassen, dass ausgerechnet
die Ärmsten unter der Spekulation auf dem Weltmarkt leiden«, sagte mir Lulas
damalige Sozialministerin.
Brasilien ist zwar einer der größten Lebensmittelproduzenten der Welt, aber
der größte Teil der Produktion wird exportiert. Weizen ist Mangelware in dem
Tropenland, die Hälfte des Bedarfs wird importiert, größtenteils aus Argentini-
en. Bei Soja, Rindfleisch und Orangenkonzentrat nimmt Brasilien dagegen eine
Spitzenproduktion auf dem Weltmarkt ein. Das Agrobusiness boomt, das Rie-
senland verfügt über immense Anbauflächen. Chinesische, amerikanische und
europäische Lebensmittelproduzenten haben in den vergangenen Jahren Län-
dereien in Brasilien gekauft, China nimmt den größten Teil der brasilianischen
Soja ab.
Im Jahr 2008 erließ die Regierung ein Gesetz, das den Erwerb von Lände-
reien durch Ausländer beschränkt - Präsident Lula fürchtete angesichts der
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