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Kombination mit strengen Ausgabenkontrollen für Gemeinden, Bundesstaaten
und die Zentralregierung vor. Benannt wurde der Plan nach der neuen Landes-
währung Real.
Um zu verhindern, dass das neue Geld wie die vorigen Währungen in einem
Strudel aus Teuerung und Abwertung unterging, führte die Regierung zunächst
eine künstliche Rechnungseinheit ein, die sogenannte URV. Ihr Kurs wurde
täglich neu festgelegt. So verhinderte die Regierung, dass Löhne, Mieten und
staatliche Dienstleistungen indexiert wurden. Löhne, Gehälter und Staatsaus-
gaben waren an die Inflation gekoppelt gewesen und hatten so die Preissteige-
rung angeheizt. Am 1. Juli 1994 wurde der Kurs der neuen Währung festgelegt:
Ein Real entsprach 2750 Novos Cruzeiros, der alten Währung.
Das Wunder gelang: Die neue Währung Real war ein voller Erfolg, Preise und
Dollarkurs stabilisierten sich. Allerdings fiel es vielen Brasilianern nicht leicht,
den realen Wert der Waren herauzufinden. Ein Fahrrad kostete plötzlich so viel
wie ein Essen in einem Restaurant, einfache Dinge wie Werkzeuge waren vor-
übergehend teurer als in den USA oder Europa.
Hyperinflation ist wie eine Sucht, sie führt dazu, dass die Menschen das Ge-
fühl für den Wert von Waren und Dienstleistungen verlieren. So wurde Brasi-
lien mit der Einführung des Real über Nacht für Ausländer zu einem der teu-
ersten Länder der Welt: Der Dollar sackte zunächst ab, mehrere Monate lang
war ein Real mehr wert als ein Dollar. Zugleich kalkulierten Ladenbesitzer an-
fangs ihre Preise mit dem gewohnten Inflationsaufschlag, das führte zu enor-
men Preisverzerrungen. Erst im Laufe der Zeit pendelten sich Preise und Wech-
selkurs auf ein von Angebot und Nachfrage bestimmtes Level ein.
Cardoso war zum Zeitpunkt der Einführung des Real nicht mehr Minister: Er
war zurückgetreten, weil er bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober antre-
ten wollte. Die Verfassung sieht vor, dass Kandidaten ihre Regierungsämter ein
halbes Jahr vor der Wahl niederlegen müssen. Cardoso baute darauf, dass der
Real sein bester Wahlhelfer sein würde. Er war kein großer Wahlkämpfer, das
Bad in der Menge fiel dem Universitätsprofessor schwer. Aber sein Vertrauens-
vorschuss als Vater des Real glich dieses Manko aus.
Der volkstümliche Lula, der sich noch ein Jahr vor dem Wahltermin seines
Sieges sicher gewesen war, sah seine Chancen dahinschmelzen wie Butter in der
Sonne. Während Cardoso im Wahlkampf mit den neuen Geldscheinen wedelte
und seine Auftritte auf wenige Monate vor den Wahlen konzentrierte, war Lula
seit seiner Niederlage gegen Collor vier Jahre zuvor unermüdlich in sogenann-
ten »Bürgerkarawanen« durchs Land getourt. Doch gegen den größten Trumpf
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