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Auch das Image des Saubermannes Collor erwies sich bald als Fassade. Er
war umgeben von einer Reihe zwielichtiger Berater und Verwandter aus seinem
Heimatstaat Alagoas, die jetzt in Brasília die Strippen zogen. In Brasília herr-
sche die »Republik von Alagoas«, lästerte die Presse.
An der Schaltstelle dieses Netzwerks saß nicht der Präsident, sondern sein
Vertrauter Paulo César Farias. PC Farias, wie der korpulente Geschäftsmann
genannt wurde, hatte die Finanzierung von Collors Wahlkampf gemanagt - mit
kriminellen Methoden, wie sich rasch herausstellte.
Collor führte in Brasília eine Tragikomödie aus Provinzialismus und Groß-
mannssucht auf. In seiner Residenz, der »Casa da Dinda«, veranstaltete das
Präsidentenpaar spiritistische Sitzungen, gleichzeitig präsentierte der Präsi-
dent sich als frivoler Playboy: Er raste mit einem Jetski über den Lago Sul,
einen See in Brasília, und lud zu luxuriösen Partys ein. Bald kursierten Gerüch-
te, dass Collor kokainsüchtig sei.
Im Juni 1992 hatte der Präsident seinen einzigen großen internationalen
Auftritt: Er war Gastgeber des ersten UN-Umweltgipfels in Rio de Janeiro, des
Eco 92. Es war der größte Auflauf von Staatschefs, den Brasilien je gesehen hat-
te: Über hundert Präsidenten und Regierungschefs aus der ganzen Welt reisten
an den Zuckerhut, darunter US-Präsident George Bush, Bundeskanzler Helmut
Kohl und Kubas Revolutionsführer Fidel Castro. Brasilien stand wegen der Ab-
holzung des Amazonasurwalds am Pranger. Collor nutzte die Gelegenheit, um
sich international als Hüter der Umwelt zu präsentieren. Er ließ illegale Lan-
depisten von Goldsuchern im Urwald bombardieren und stärkte die Indianer-
schutzbehörde Funai (Fundação Nacional do Indio).
Der Gipfel in Rio legte erstmals konkrete Ziele zur Bekämpfung des welt-
weiten Raubbaus an der Natur fest. Dass er zu einem Erfolg wurde, war auch
das Verdienst des brasilianischen Präsidenten: Collor erwies sich als geschick-
ter Verhandler. Wirtschaftspolitisch setzte er ebenfalls Zeichen: Er kritisierte
die brasilianische Autoindustrie, weil sie minderwertige »Blechkutschen« pro-
duziere, und öffnete den abgeschotteten Markt für Importe.
Diese Verdienste wurden jedoch überschattet von den Korruptionsskandalen
seiner Regierung. 1992 enthüllte Collors Bruder Pedro in einem Interview mit
der Zeitschrift Veja , wie die Polit-Mafia um PC Farias Staatsgelder in dunkle
Kanäle ableitete und den Regierungsapparat beherrschte.
Fast täglich enthüllte die Presse neue Details des mafiösen Beziehungsge-
flechts im Regierungspalast. Zehntausende Schüler und Studenten gingen ge-
gen Collor auf die Straße; sie nannten sich »Caras Pintadas« (bemalte Gesich-
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