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Diretas já - direkte Wahlen sofort
Figueredo verschärfte die Zensur und die Repression gegen die Regierungsgeg-
ner, doch die ließen sich nicht entmutigen. Unter dem Slogan »Diretas já« kam
es am 25. Januar 1983 zur bis dahin größten Demonstration für die Demokrati-
sierung: 1,5 Millionen Menschen gingen in São Paulo auf die Straße und forder-
ten eine Direktwahl des Präsidenten. Auf dem Podium stand die Generation je-
ner Männer, die in den folgenden Jahrzehnten das neue, demokratische Brasili-
en symbolisieren sollten: Gewerkschaftsführer Lula, der aus dem Exil zurückge-
kehrte Soziologe Fernando Henrique Cardoso, der Sänger Chico Buarque, Fuß-
ballidol Sócrates, die Politiker Leonel Brizola und Mario Covas.
Trotz ihrer Niederlage im Kongress errangen die Demokraten bei den Prä-
sidentschaftswahlen 1985 einen Teilsieg: Der PMDB-Politiker Tancredo Neves
wurde zum Staats- und Regierungschef gewählt, ein überzeugter Demokrat und
erfahrener Politiker aus Minas Gerais. Er verkörperte die Hoffnung auf einen
demokratischen Aufbruch. Umso größer war der Schock, als er kurz vor sei-
ner Vereidigung mit einem schweren Magengeschwür in ein Krankenhaus von
Brasília eingeliefert wurde. Neves konnte sein Amt nie antreten; er verstarb an
den Folgen der Operation.
Sein überraschender Tod stürzte das Land in eine kollektive Depression. Vi-
zepräsident José Sarney, ein Oligarch und Schriftsteller aus dem bettelarmen
Nordost-Bundesstaat Maranhão, wurde verfassungsgemäß zum neuen Staats-
chef ernannt, doch er war der gigantischen Herausforderung weder intellektuell
noch politisch gewachsen. Er übernahm das Land inmitten einer schweren
Wirtschaftskrise: Ende 1982 stand Brasilien praktisch vor dem Staatsbankrott,
kurz zuvor war Mexiko zusammengebrochen, wenig später folgte Argentinien.
Die lateinamerikanische Schuldenkrise überschattete die gesamten 1980er Jah-
re, sie gelten auf dem gesamten Subkontinent als »verlorenes Jahrzehnt«.
In Brasilien führte die Schuldenkrise zu einer drastischen Abwertung der
Landeswährung, zugleich explodierten die Preise. Sarney versuchte, die Infla-
tion durch Preiskontrollen in den Griff zu bekommen: Er rief Brasiliens Haus-
frauen auf, in den Supermärkten die Preise zu überprüfen. Das führte da-
zu, dass viele Produzenten ihre Waren zurückhielten. Plötzlich fehlten Fleisch,
Milch und andere Grundnahrungsmittel in den Regalen.
In den fünf Jahren der Sarney-Amtszeit drehte sich die Preis- und Abwer-
tungsspirale immer schneller. Der Präsident galt als überfordert und korrupt,
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