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siliens Generäle insgeheim den Bau einer Atombombe planten. Dass ausgerech-
net die Deutschen einsprangen und den Brasilianern Atomtechnologie liefer-
ten, sorgte zwischen Bonn und Washington für diplomatische Verstimmung.
Im Jahr 1976 begann der Bau des Atomkraftwerks Angra 2. Der Reaktor wurde
direkt neben Angra 1 auf halber Strecke zwischen Rio und São Paulo errichtet,
an einem der schönsten Küstenabschnitte Brasiliens.
Angra 2 gilt als teuerstes Atomkraftwerk der Welt: Es kostete insgesamt ca.
zehn Milliarden Dollar, ein Vielfaches der ursprünglich veranschlagten Kosten,
sein Bau dauerte 25 Jahre, es ging erst im Jahr 2000 ans Netz. Fehlkalkulatio-
nen bei der Finanzierung und eine Fehleinschätzung der wirtschaftlichen Ent-
wicklung Brasiliens waren die Hauptursachen für das Desaster. Die Finanzie-
rungsprobleme bei Angra 2 trugen entscheidend zu dem Anstieg der Auslands-
verschuldung Brasiliens bei. Anfang der 1980er Jahre stand das Land am Ran-
de eines Staatsbankrotts.
Angra 2 ist das einzige Atomkraftwerk, das im Rahmen des deutsch-brasi-
lianischen Atomabkommens fertiggestellt wurde. Die Teile für einen bauglei-
chen zweiten Reaktor (Angra 3) wurden zwar zu einem Großteil angeliefert,
blieben aber jahrzehntelang auf dem Gelände eingemottet. Erst im Jahr 2010
entschied Präsidentin Dilma Rousseff, Angra 3 fertigzustellen. Da eine Wieder-
aufnahme der deutsch-brasilianischen Atomkooperation in Deutschland poli-
tisch nicht durchsetzbar war, wandten sich die Brasilianer an Frankreich, der
Bau wird jetzt mit französischer Hilfe fertiggestellt.
Die Sorgen der Amerikaner, dass Brasiliens Militärdiktatur in Wirklichkeit
den Bau einer Atombombe anstrebte, waren nicht unbegründet: Im Jahr 1990
ließ der damalige Präsident Fernando Collor auf einer Militärbasis im Ama-
zonasgebiet eine unterirdische Tunnelanlage zuschütten, die den Streitkräften
für geheime Atomtests dienen sollte. Mit der aufsehenerregenden Aktion wollte
Collor der Welt demonstrieren, dass Brasilien ein für allemal Plänen für eine ei-
gene Bombe abgeschworen hatte. Unter dem sozialdemokratischen Präsidenten
Fernando Henrique Cardoso trat Brasilien schließlich dem Atomwaffensperr-
vertrag bei. Dennoch sind die Gerüchte über Pläne für eine brasilianische Atom-
bombe nie verstummt. Vor allem in der Amtszeit von Präsident Luis Inácio Lula
da Silva kochte diese Diskussion wieder hoch.
Nicht nur KWU/Siemens hatte während der Militärdiktatur beste Kontakte
zur brasilianischen Regierung, auch andere deutsche Unternehmen pflegten die
Freundschaft mit den Generälen. Der damalige Chef von Volkswagen do Brasil,
Wolfgang Sauer, saß bei wichtigen Entscheidungen praktisch mit am Kabinett-
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