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von der Justiz verschleppt. Vermutlich wird das Oberste Bundesgericht ent-
scheiden müssen, ob es Verfahren gegen den berüchtigten Major Curió und sei-
ne Helfershelfer zulässt - bis dahin sind die meisten Schuldigen wahrscheinlich
verstorben.
Rousseff setzte im Mai 2012 eine Wahrheitskommission ein, die alle im Auf-
trag des Staates begangenen Menschenrechtsverbrechen von 1946 bis 1988 auf-
klären soll. Diese will 2014 ihren Bericht vorlegen. Der Kommission gehören
sieben angesehene Menschenrechtsexperten, Diplomaten und Juristen an. Sie
kann zwar keine juristischen Verfahren einleiten, aber sie hat zahlreiche Augen-
zeugen verhört und bislang geheime Akten zu Tage gefördert.
Brasiliens Militärherrscher bemühten sich, demokratischen Anschein zu
wahren: Der Kongress wurde nicht permanent geschlossen, die traditionellen
Parteien ersetzte das Regime durch militärhörige Gruppierungen. Die ARENA
(Aliança Renovadora Nacional) repräsentierte die konservativen und nationa-
listischen Kräfte, das MDB (Movimento Democrático Brasileiro), aus dem sich
später der PMDB (Partido do Movimento Democrático Brasileiro) entwickelte,
übernahm den Part der Opposition. Alle anderen Parteien blieben verboten.
Die PMDB (Partido do Movimento Democrático Brasileiro) ist die größte
und einflussreichste Partei Brasiliens, obwohl sie über kein klares ideologisches
Fundament verfügt. Sie lebt vom Klientelismus: Tausende Bürgermeister und
viele Gouverneure gehören der PMDB an. PMDB-Politiker besetzen zahlreiche
wichtige Posten in Staatsunternehmen, sie verfügen über regelrechte Erbhöfe
in der Regierung. Als Bündnispartner hat die PMDB unter allen demokratisch
gewählten Präsidenten seit dem Ende der Diktatur mitregiert. Es geht ihr weni-
ger um politischen Einfluss als um die Anhäufung von Geld und Posten: Politik
versteht sie als Geschäft, als Handel mit Privilegien. Sie ist daher auch häufiger
als andere Parteien von Korruptionsskandalen betroffen.
Im Jahr 1974 wurde General Ernesto Geisel Präsident. Gegen den Wider-
stand der Hardliner unter den Offizieren leitete er eine vorsichtige Öffnung des
Regimes ein; er hob das verhasste Dekret AI5 auf. Außenpolitisch betrieb er die
Annäherung an die Bundesrepublik Deutschland. 1975 schlossen Brasília und
Bonn das deutsch-brasilianische Atomabkommen. Der Vertrag sah den Bau von
insgesamt acht Atomkraftwerken mit deutscher Hilfe vor.
Zuvor hatten die Brasilianer Washington umworben, ihr erstes Atomkraft-
werk Angra 1 entstand mit Hilfe der USA, der Reaktor wurde von der Firma
Westinghouse gebaut. Doch die US-Regierung stand einem Ausbau der nuklea-
ren Zusammenarbeit mit Brasília skeptisch gegenüber; sie fürchtete, dass Bra-
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