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außerdem ein Problem, das die wirtschaftliche Entwicklung für Jahrzehnte be-
hindern sollte: eine hohe Inflation.
Kubitscheks Amtszeit endete 1961, eine Wiederwahl verbot die Verfassung.
Sie sah außerdem vor, dass die Wähler getrennt für Präsident und Vizepräsi-
dent stimmten. Zum Nachfolger Kubitscheks wurde Jânio Quadros gewählt, der
Gouverneur von São Paulo. Ausgerechnet sein Rivale, der Linkspopulist João
Goulart, wurde Vizepräsident. Goulart war unter Vargas Arbeitsminister gewe-
sen, er sah sich als sein wahrer politischer Erbe. Den Streitkräften war Goulart
suspekt: Sie sahen in ihm einen verkappten Kommunisten.
Im August 1961, weniger als acht Monate nach seinem Amtsantritt, trat Jânio
Quadros überraschend zurück. Das Motiv ist bis heute unklar. Quadros war be-
rüchtigt für seine Trinkgelage, womöglich war er betrunken, als er den Rücktritt
erklärte. Möglich ist auch, dass er desillusioniert war, weil er wenig Rückhalt
im Kongress hatte. Seine Entscheidung trieb das Land in eine schwere politi-
sche Krise: Die Militärs verhinderten die sofortige Rückkehr von Vizepräsident
Goulart, der während des Rücktritts auf Staatsbesuch in China weilte. Er muss-
te in Uruguay warten, bis die Parteien im Kongress ein politisches Abkommen
ausgehandelt hatten, dem auch die Opposition und die Streitkräfte zustimmen
konnten. Dieser Pakt sah vor, dass Brasiliens Präsidentialsystem in ein parla-
mentarisches System umgewandelt würde. Wichtige Kompetenzen des Präsi-
denten sollten einem Premierminister übertragen werden. Der Oppositionspo-
litiker Tancredo Neves, ein gemäßigter Konservativer, sollte dieses Amt über-
nehmen.
Das Abkommen hielt nicht lange. Goulart versuchte, seine Machtbefugnisse
als Präsident zurückzuerlangen, während die Opposition alles daran setzte, ihn
zu schwächen. Die Folge war, dass sich das Land immer mehr polarisierte. Gou-
lart näherte sich noch stärker der Linken an. Er verkündete einen Dreijahres-
plan, der eine umfassende Agrarreform, Auflagen für ausländische Unterneh-
men und das Wahlrecht für Analphabeten vorsah. Die konservativen Kräfte
scharten sich um die ultrareaktionäre Bewegung Família com Deus pela Liber-
dade (Familie mit Gott für die Freiheit).
Jetzt traten auch die USA in Aktion. Nach der kubanischen Revolution 1959
und der Raketenkrise 1962 war Lateinamerika zu einem Schauplatz des Kalten
Kriegs geworden. Überall auf dem Kontinent entstanden linke Aufstandsbewe-
gungen nach kubanischem Vorbild. Die US-Regierung kämpfte mit allen Mit-
teln dagegen, auch mit illegalen. Washington sah in Goulart einen verkappten
Kommunisten, der das größte Land Südamerikas der Sowjetunion in die Arme
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