Travel Reference
In-Depth Information
Nachdem Brasilien in den Krieg eingetreten war, schwenkte die Regierung
auch in ihrer Haltung gegenüber den deutschen und japanischen Einwanderern
um. Tausende Deutsche und Japaner wurden verhaftet und in Gefangenenlager
deportiert. Die großen deutschen Einwanderergemeinden durften nicht länger
ihre Muttersprache sprechen. Deutsche Restaurants, Clubs und andere Insti-
tutionen mussten ihren Namen ändern. Aus der »Bar Adolf« in Rio wurde die
»Bar Brasil«. Deutsche durften aus militärstrategischen Gründen nicht an der
Küste siedeln, viele wurden als Spione verhaftet.
Im Volk wird Vargas bis heute als »Vater der Armen« verehrt. Er schob eine
Reihe von Sozialreformen an: Er führte die »Carteira de Trabalho« ein, ein klei-
nes blaues Heft, das den Arbeitsvertrag ersetzt. Erstmals wurde die Arbeitszeit
geregelt und ein Mindestlohn eingeführt, auch eine Sozial- und Krankenversi-
cherung und Urlaubsanspruch für die Arbeiter setzte er durch.
Die »Carteira de Trabalho« existiert immer noch: In dem Heft trägt der Ar-
beitgeber den Lohn und die Dauer des Arbeitsverhältnisses ein, anhand die-
ser Daten weist man später seine Lebensarbeitszeit und seinen Rentenanspruch
nach. Allerdings werden die Eintragungen oft gefälscht: Der Arbeitnehmer
drückt sich meist ebenso wie sein Chef um die Abführung der Sozialabgaben,
der wahre Lohn ist meist viel höher als die in der »Carteira de Trabalho« einge-
tragene Summe.
Mit der Rückkehr der brasilianischen Soldaten aus dem Krieg nahte auch das
Ende der Vargas-Diktatur. Sie hatten in Europa gegen einen Diktator gekämpft;
es war schwer zu vermitteln, dass die Diktatur in ihrer Heimat weiterbestand.
Vargas verfügte über ein untrügliches politisches Gespür, er erkannte diesen
Widerspruch. Im Jahr 1945 rief er Wahlen aus und versprach, selbst nicht an-
zutreten.
Der Urnengang von 1945 gilt als erste echte demokratische Wahl der brasi-
lianischen Geschichte. Als Sieger ging Eurico Gaspar Dutra hervor, ein Exmi-
nister der Regierung Vargas. Er regierte bis 1950, dann kehrte der beliebte Ex-
diktator an die Macht zurück, diesmal allerdings auf demokratischem Weg. Er
wurde mit großer Mehrheit ins Amt gewählt.
Unter Vargas vollzog sich in Brasilien eine Zeitenwende: Erstmals hatten
nicht mehr die ländlichen Oligarchien das Sagen, sondern die städtischen Mas-
sen. Vargas förderte die Industrialisierung, Millionen strömten in die Städte.
Zugleich fachte er den Nationalismus an: Unter dem Schlachtruf »O Petróleo
é nosso« (Das Öl gehört uns!) verstaatlichte er die Ölindustrie. Die meisten
Staatskonzerne Brasiliens sind in der Vargas-Ära entstanden. Er trieb einen
Search WWH ::




Custom Search