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länder, die 1833 in ihren Kolonien die Sklaverei abgeschafft hatten, machten
Druck auf Brasilien, ihrem Beispiel zu folgen. 1850 sah sich der Hof gezwungen,
die Einfuhr von Sklaven aus Afrika praktisch zu verbieten.
Einzelne Landherren versuchten daraufhin, »Sklaven zu züchten«. In dem
Städtchen Santa Rita im Hinterland von Rio habe ich vor einigen Jahren eine
ehemalige Kaffeefazenda besucht, deren Eigentümer sich zur Kolonialzeit der
»Sklavenzucht« widmete. Neben dem Folterkeller, wo aufsässige Sklaven an-
gekettet und gemartert wurden, lagen Verliese, in denen die zur »Zucht« aus-
gewählten Frauen ihre Kinder zur Welt brachten. Heute dient das Anwesen als
Hotel und Kulisse für Film und Fernsehen.
Doch diese bizarren Menschenversuche blieben eine Ausnahme. Das Ein-
fuhrverbot bewirkte einen drastischen Preisanstieg für die in Brasilien gebore-
nen Sklaven, gleichzeitig kurbelte der Kaffeeboom die Nachfrage nach Arbeits-
kräften an. Im Jahr 1888 verkündete Prinzessin Isabel, die Tochter des Königs,
schließlich die Aufhebung der Sklaverei.
Das Ende der Leibeigenschaft hatte allerdings nicht automatisch auch besse-
re Lebensbedingungen für die ehemaligen Sklaven zur Folge. Es stärkte im Ge-
genteil die Oligarchien der Großgrundbesitzer. Die Sklaverei war vor der Auf-
hebung schon so teuer geworden, dass sie sich kaum noch lohnte. Jetzt stand
eine neue Masse an billigen Arbeitskräften zur Verfügung: Zehntausende ar-
me Immigranten aus Europa und Japan drängten nach Brasilien, sie flüchteten
vor Hungersnot, Krieg und Elend. Der Zustrom führte dazu, dass die feudalen
Herrschaftsstrukturen auf dem Land auch nach dem Ende der Sklaverei weiter-
bestanden. In Rio de Janeiro ließen sich viele ehemalige Sklaven auf den unbe-
siedelten Hügeln im Stadtgebiet nieder - so entstanden die ersten Favelas.
Unter den republikanisch gesinnten Kräften im Land wuchs der Unmut über
das Beharrungsvermögen der Oligarchie und der Krone. Im Jahr 1889 lehnte
sich eine Gruppe junger Offiziere gegen die Regierung auf, ihr Aufstand führte
zur Absetzung des Kaisers. Pedro II. ging zusammen mit seiner Familie ins Exil.
»Politik des Milchkaffees«
Die Jahre von 1889 bis 1930 sind in Brasilien als Epoche der »Alten Republik«
bekannt. Doch die Aufbruchstimmung schlug rasch in Frust um: Die Militärs
waren sich nicht einig, welche Art von Regierung sie wollten, sie setzten auch
keine Wahlen an. Von der politischen Instabilität profitierten die Oligarchien
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