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Organisatorisch war es eine Höchstleistung, doch meine Frau war genervt. Als
sie in Botafogo zwischen zwei Blocos geriet, die sich in die Quere kamen, riss ihr
der Geduldsfaden. »Die Typen wissen nicht einmal mehr, zu welchem Bloco sie
gehören«, schimpfte sie.
Sie geht jetzt lieber zu den kleinen, unbekannten Blocos. Ihre Lieblingstrup-
pe heißt »Está pirando, pirado, pirou!«, auf Deutsch etwa: »Jetzt ist er voll-
kommen durchgedreht!« Sie besteht aus Patienten, Ärzten und Schwestern des
Instituto Pinel, einer psychiatrischen Anstalt, gleich bei uns vor der Haustür
in Urca. Einmal im Jahr dürfen die Kranken sich im Karneval austoben, das
ist Teil ihrer Therapie. Sie laufen vom Krankenhaus bis zum Strand Praia Ver-
melha, wo die Seilbahn zum Zuckerhut abfährt. Ein Lastwagen mit Verstärkern
führt den Umzug an, hoch auf dem Wagen spielt die Kapelle. Unten auf dem As-
phalt mischen sich fröhlich Patienten, Ärzte und Besucher, bald kann man nicht
mehr unterscheiden, wer zu den Kranken gehört.
Meine Frau winkt mir aus der Ferne zu, sie läuft am liebsten mitten zwischen
den Trommlern, wo es am meisten fetzt. In einer Hand balanciert sie eine Bier-
dose, mit der anderen hält sie das Handy ans Ohr. Ihre Füße meißeln den As-
phalt, sie ist in ihrem Element. »Mein Schatz, ich bin gleich zurück!«, ruft sie
mir zu. So heißt ein Bloco, der im Stadtzentrum defiliert. Da haben wir uns am
Abend wiedergetroffen.
Trautes
Heim
und
wilde
Straße
-
warum
das
mit
dem
Gemeinwohl so schwierig ist
In Ipanema und Leblon, den feinen Vierteln von Rio de Janeiro, sind Parkplätze
knapp. Besser also, man lässt das Auto zuhause, wenn man dort essen geht?
Weit gefehlt, es gibt ja den Valet-Service. Vor dem Restaurant wartet ein »Ma-
nobrista« in schwarzem Anzug, für zehn Real parkt er das Auto. Platz findet er
immer: Er hat ein paar schwarz-gelbe Plastikhütchen am Straßenrand aufge-
stellt, so reserviert er die Parkbuchten.
Natürlich ist das verboten - die Straße ist öffentlicher Raum und darf nicht
von irgendeinem Restaurantbesitzer in Beschlag genommen werden. Aber das
Eigeninteresse ist stärker als die Macht des Ordnungsamtes.
So ist es oft in Brasilien - wo der Staat schwach ist, setzen sich Privatinter-
essen durch. Die meisten Favelas sind durch die illegale Besetzung öffentlichen
Grundes entstanden. Anfang der 1980er Jahre wurde das letzte Mal in Rio ein
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