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Feuerwerksraketen in Blau und Gelb, den Farben der Sambaschule, zischen
in den Nachthimmel, sie kündigen unseren Auftritt an. Die Batería, wie die
Trommlertruppe heißt, spielt sich warm. Schubweise nähern wir uns dem Sam-
bodrom. Der Chef unserer Teufelstruppe, ein stämmiger Brasilianer, heizt uns
ein, ich reiße die Arme hoch. Plötzlich tauchen wir in gleißendes Scheinwer-
ferlicht ein. »E Campeao!« grölen Zuschauer von den voll besetzten Tribünen,
»Ihr seid der Champion!«, sie schwenken blau-gelbe Fähnchen.
Sambatanzen ist in diesem verteufelten Kostüm praktisch unmöglich, der
Rock beschränkt die Beinfreiheit, ich gebe trotzdem mein Bestes. Orangefar-
bene Federbüsche wippen um mich herum, beim Singen kaue ich auf falschen
Barthaaren, mein Hintermann rempelt mich an. Eine Zeitlang treten wir auf der
Stelle, mit dem Karnevalswagen vor uns gibt es Probleme, er hat sich offenbar
festgefahren.
Links winken Bürgermeister und Gouverneur aus ihren Logen, Präsidentin
Dilma Rousseff hat abgesagt, ihre Begeisterung für den Karneval ist etwa so
groß wie die von Angela Merkel. Irgendwo in der VIP-Loge steht Megan Fox,
auch ihr Schauspielerkollege Will Smith ist da, Harrison Ford hat sich angesagt.
Der Schweiß brennt in den Augen, in meinem Kostüm herrscht Saunatem-
peratur. Der Vordermann vorne links macht schlapp, er kann sich gerade noch
zur Absperrung schleppen, hoffentlich haben die Juroren das nicht gesehen. Ich
versuche zwischen den wippenden Federbüscheln einen Blick auf den riesigen
Bikinipo zu erhaschen, so heißt der von Oscar Niemeyer entworfene Betonbo-
gen am Ende des Sambodroms im Volksmund. Er ist die Zielmarke, da müssen
wir hin, 750 Meter können ganz schön lang sein.
Links rückt die erste Loge mit den Juroren ins Blickfeld, ich gröle den Sam-
barefrain und drehe mich, vielleicht macht das Eindruck. Eine Dame neben mir
hüpft wie frenetisch über den Asphalt, wie hält die das nur durch? Der Aufbau
unserer Teufelstruppe ist längst dahin, den dpa-Kollegen habe ich aus den Au-
gen verloren, ob er wohl seine Urinflasche zum Einsatz gebracht hat?
Die ersten Bärte fallen, mein Nachbar hat ein Horn verloren, Kollateralschä-
den. Langsam nähern wir uns dem Galgen mit den Fernsehkameras. Vor dem
riesigen Betonbogen zittern alle Sambaschulen, manch ein Karnevalswagen ist
hier schon hängengeblieben, jedes Jahr werden die Wagen höher. Der Fliegen-
de Holländer geht glatt durch, die Leute klatschen, jetzt fehlen nur noch hun-
dert Meter zum Bikinipo, gut eine Stunde sind wir am Tanzen.
Völlig ausgepumpt traben wir auf den »Platz der Apotheose«, den Platz am
Ende des Sambodroms. Ich reiße mir den Helm vom Kopf und den Feder-
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