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re städtische Beamte. Es ist praktisch unmöglich, einen Polizisten in ein ver-
trauliches Gespräch zu verwickeln, das die Voraussetzung für den Akt der Be-
stechung ist. Wer trotzdem insistiert, riskiert eine Anzeige wegen Beamtenbe-
leidigung und ein zusätzliches Bußgeld.
Die weit verbreitete Steuerhinterziehung versucht der Souverän mit immer
neuen Abgaben in den Griff zu bekommen. Bei der Geburt erhält jeder Brasi-
lianer zwei Gaben als Mitgift: ein Trikot des Lieblingsfußballvereins seines Va-
ters und die Steuernummer vom Finanzamt, genannt CPF, »Cadastro de Pes-
soa Física«. Ohne CPF geht gar nichts: Man kann kein Konto eröffnen, keinen
Kühlschrank kaufen, keinen Personalausweis verlängern, keine Reise buchen,
bekommt keine Quittung im Zeitungskiosk und keine vergünstigten Kinokar-
ten. Die CPF begleitet den Brasilianer (und in Brasilien lebenden Ausländer) bis
ans Lebensende. Selbst beim Einkaufen fürs Frühstück ist die CPF hilfreich.
Sechs Brötchen, ein Glas Marmelade und ein Päckchen Milch liegen auf dem
Laufband im Supermarkt. Mist, jetzt habe ich meine Kundenkarte für die Son-
derangebote vergessen. »Kein Problem«, sagt die Dame an der Kasse, »wie ist
denn Ihre Steuernummer?« Ich spule die elfstellige Zahlenkombination herun-
ter, ich kann sie inzwischen auswendig. Mein Name und die Adresse blinken
auf dem Kassenschirm auf, die Verkäuferin strahlt, der Kunde ist zufrieden, die
Brötchen werden etwas billiger, und das Finanzamt weiß jetzt vermutlich, was
ich soeben fürs Frühstück eingekauft habe.
Dem CPF-Wahn liegen zwei Annahmen zugrunde:
1. Die Bürger betrügen den Staat, wo sie nur können.
2. Der Staat kassiert bei den Bürgern ab, wo immer er ihrer habhaft wird.
Kaum ein anderes Land besitzt ein so kompliziertes Geflecht an Steuern und
Abgaben. Der Staat erfindet immer neue Gesetze, Regeln und Register, um sei-
nen Bürgern auch den letzten Real aus der Tasche zu ziehen. Gleichzeitig den-
ken sich die Bürger immer neue Tricks aus, um das zu vermeiden.
Ein ganzer Berufsstand, die »Despachanten«, lebt davon, dass er dem Bürger
Gehör beim Souverän verschafft. Diesen Service lassen sie sich fürstlich bezah-
len, schließlich dient ein Teil ihres Honorars dazu, den steinigen Weg durch die
Amtsstuben zu ebnen. Auf Regierungsebene nennt sich dieses Verfahren »Trá-
fico de Influencia«, das »Handeln mit Einfluss«.
Für den einfachen Bürger ist es immer hilfreich, eine persönliche Beziehung
zu seinem Gegenüber in der Amtsstube aufzubauen.
Ich brauchte einmal ein Dokument von der Stadtverwaltung von Rio, in dem
aufgelistet wird, wieviel Grundsteuer ich für mein Haus in den vergangenen
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