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werden ermahnt, nicht allein zwischen den Camps der liebeshungrigen Rodeo-
fans herumzustreifen.
In langen schwarzen Ledermänteln staksen die Möchtegern- John-Waynes
zu den Bierbuden und Grillständen. Die Städter von der Küste machen sich lus-
tig über die »Caipiras«, wie die Provinzler genannt werden. Im feinen Jockey-
Club von Rio blickt man auf die Rodeoreiter herab wie ein Formel-Eins-Pilot
auf einen Stockcar-Fahrer. Viele Cowboys können kaum lesen und schreiben,
Autogrammwünsche lehnen sie mit einem verlegenen Lächeln ab. Die meisten
haben noch nie das Meer gesehen.
Die großen Rodeostars sind zumeist Söhne armer Landarbeiter. Schon als
Kind träumen die meisten von einer Karriere als Rodeoreiter. Bei den großen
Festivals im Bundesstaat São Paulo bewerben sich jedes Jahr Zehntausende,
mit Bus und als Anhalter reisen sie den Wettbewerben hinterher.
Ananías, der Champion von Sertãozinho, bestieg als Neunjähriger seinen
ersten Bullen. Mit 13 Jahren gewann er sein erstes Amateur-Rodeo in einer
Kleinstadt bei São Paulo. Er reiste mit dem Omnibus an und schlief nachts un-
ter einem Lkw, weil sein Geld nicht für ein Hotel reichte.
Bei der ersten Profiveranstaltung gewann er ein Motorrad, das er sofort ver-
kaufte, das Geld schickte er an seine Familie. Heute kann er von dem Sport
leben. Drei Autos und achtzehn Motorräder hat er bislang gewonnen, einmal
wurde er internationaler Champion von Barretos. Von dem Preisgeld kaufte er
Land und 300 Rinder. Als Rodeoreiter will er arbeiten, bis er 28 ist, dann strebt
er an die Universität. »Mit 30 sind die meisten Cowboys so kaputt, dass sie auf-
hören müssen.«
Rodeoreiter sind bodenständige, schüchterne Burschen. Ananías raucht und
trinkt nicht, er übernachtet in seinem Fiat hinter der Arena. Wie die meisten
seiner Kollegen ist er zutiefst gläubig. Zu Beginn jeden Rodeos reitet ein Pries-
ter durch die Arena und erteilt den Cowboys seinen Segen. Bevor sie den Bullen
besteigen, beten sie zur »Nossa Senhora da Aparecida«, ihrer Schutzheiligen.
Göttlichen Beistand können die tollkühnen Bullenreiter gebrauchen. Obwohl
viele Schutzanzüge und Helme tragen, ist Rodeo hochgefährlich. Jedes Jahr
sterben Reiter in der Arena. Ein Freund von Ananías wurde bei einem Wettbe-
werb vom Stier zertrampelt.
Oft bleiben die Reiter mit einer Hand in der Lederschlaufe am Nacken hän-
gen, wenn der Bulle sie abwirft, das wütende Tier schleift sie dann minutenlang
durch die Arena. Ananías zeigt seine Blessuren vor wie ein Offizier seine Orden:
Dreimal erlitt er Rippenbrüche, zweimal ist das Schlüsselbein zersplittert, das
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