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Technik sind die Gringos kaum zu schlagen, dafür haben wir Brasilianer mehr
Biss«, sagt Schiedsrichter Tião Procópio, 44.
Der schlaksige Farmersohn sieht aus wie eine Figur aus einem Western: Ein
schwarzer Hut beschattet das braungebrannte Gesicht, die dürren Beine ste-
cken in engen schwarzen Wrangler-Jeans. Einmal nahm ihn ein Stier auf die
Hörner, seither zieht er ein Bein leicht nach. Das Tier durchbohrte seine Lun-
ge und zerquetschte seine Hüfte, die zersplitterten Knochen flickten die Ärzte
mit einigen Metallstiften zusammen. Seine Gürtelschnalle ist aus Silber, nur der
Colt fehlt. Dafür baumelt eine silberne Trillerpfeife um seinen Hals.
Procópio hat entscheidend zur Anerkennung des Sports beigetragen. Als
zweifacher Champion von Barretos schaffte er leicht den Sprung in die USA. In
Kalifornien arbeitete er zwei Jahre lang in einer Rodeoschule. Deren Chef war
zugleich Präsident des Rodeoverbands, so lernte Procópio die Grundlagen des
Cowboy-Sports von der Pike auf.
Nach seiner Rückkehr 1982 setzte er sich dafür ein, den Sport zu professio-
nalisieren. In Brasilien galt Rodeo bis dahin als primitives Volksvergnügen. Die
Peoes, wie die Cowboys genannt werden, maßen ihre Geschicklichkeit beim Zu-
sammentreiben und Fesseln von Kälbern, als Mutprobe bestiegen sie die wil-
desten Bullen der Herde. Das Macho-Gehabe imponierte den Mädchen aus dem
Dorf und steigerte so das Selbstwertgefühl der schlecht bezahlten Kuhtreiber.
Mit dem Aufschwung der brasilianischen Agroindustrie wurde Rodeo auch
bei den reichen Großbauern salonfähig. Einige neureiche Farmersöhne von
Barretos gründeten den Rodeo-Club »Os Independentes«, »Die Unabhängi-
gen«. Sie witterten die Geschäftschancen, die der Ausbau des Sports mit sich
bringen würde. Mehrere große Firmen stiegen als Sponsoren ein, durch profes-
sionelles Marketing wurde das Spektakel landesweit bekannt.
Heute setzt Barretos jährlich über dreißig Millionen Real um, etwa zehn Mil-
lionen Euro. Dutzende von Country-Boutiquen und Andenkengeschäften säu-
men die Zufahrten zur Arena. Die einst belächelten Cowboys machen Mode:
Unter dem Rodeolabel »Cowboy Forever« werden Stetson-Hüte, Hemden und
amerikanische Markenjeans verkauft. Das Outfit eines stilechten Peão kostet
leicht über 3000 Real, knapp 1000 Euro.
Ebenso wichtig wie der Reiterkampf sind die Partys und Shows, die den of-
fiziellen Wettbewerb begleiten. Kein Rodeo kommt ohne die Stars der »Música
Sertaneja« aus, der brasilianischen Countrymusik. Die Anmache während der
Festivals ist legendär: »Bitte fangen Sie keine Mädchen mit dem Lasso ein«,
warnen die Veranstalter in Barretos allen Ernstes über Lautsprecher. Mädchen
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