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Bevor der Wunderpastor seine »spirituelle Berufung« verspürte, arbeitete er
als Kellner in einem Restaurant in Copacabana. »Ich trank und hurte herum«,
erzählt Pereira, »mein Leben war verpfuscht.« Während einer Busfahrt habe er
eine »spirituelle Erleuchtung« verspürt, kurz darauf schloss er sich einer evan-
gelischen Kirche an. Bald sprachen sich seine hypnotischen Fähigkeiten herum.
Heute frequentieren Politiker und Showstars seine Gottesdienste.
Der Pastor lässt sich seine Dienste mit »Spenden« entlohnen, er ist heute ein
schwerreicher Mann. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass das Geld nicht nur
von den Gläubigen stammt. Im Juni 2013 wurde Pereira verhaftet, er soll Geld
für die Drogenmafia gewaschen haben, er steht angeblich den Bossen des Co-
mando Vermelho nahe. Außerdem beschuldigen ihn mehrere einstige Anhän-
gerinnen, dass er sie vergewaltigt habe.
Der Vatikan versucht, die evangelischen Starpriester mit ihren eigenen Waf-
fen zurückzudrängen. Papst Johannes Paul II. stärkte die sogenannte Charis-
matische Bewegung innerhalb der Katholischen Kirche. Diese Strömung soll
den Gläubigen die Wärme und Nähe vermitteln, die in der alten Amtskirche
verloren gegangen sind. Zu den Gottesdiensten der sogenannten Pop-Padres
strömen Tausende, sie singen, beten und tanzen gemeinsam, die Messe ähnelt
einem Popkonzert. Der bekannteste dieser katholischen Priester-Entertainer ist
Padre Marcelo Rossi. Jeden Sonntag liest er die Messe in einer ehemaligen Fa-
brikhalle in São Paulo, der Gottesdienst ähnelt einem Happening. Der Padre hat
mehrere Millionen CDs und Bücher verkauft, sein Lebenshilfe-Werk »Agapé«
ist ein Bestseller. Doch auch den Pop-Padres ist es bislang nicht gelungen, die
Abwanderung zu den evangelischen Kirchen zu stoppen.
Das schafft womöglich die neueste Wunderwaffe des Vatikans: Papst Fran-
ziskus. Bei seinem einwöchigen Besuch in Rio im Juli 2013 begeisterte der cha-
rismatische Argentinier vor allem die Jugendlichen. Über eine Million Men-
schen strömte an den Strand von Copacabana, um den neuen Pontifex zu sehen.
Franziskus geht auf die Menschen zu, darin unterscheidet er sich von seinem
spröden deutschen Vorgänger Benedikt. Der Jesuit sucht den Kontakt zu ande-
ren Religionen, hat ein Herz für homosexuelle Priester und zeigte Verständnis
für Brasiliens rebellierende Jugendliche. Womöglich wird er auch den Bann-
strahl gegen den brasilianischen Befreiungstheologen Leonardo Boff aufheben,
das wäre eine wahre Kirchenrevolution.
Soll sich die katholische Kirche weltlichen Strömungen und Anschauungen
öffnen, oder soll sie sich zurückbesinnen auf das Mystische und Magische, auf
Wunderglauben und Teufelsaustreibung? In Brasilien ist diese Frage nicht ein-
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