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Vor drei Jahren eröffnete der ehemalige Baptistenprediger den Saal in Per-
dizes. Mit Marketingmethoden aus der Privatwirtschaft ködert Pastor Rina die
Teenies. Er verkauft modische T-Shirts und Mützen mit dem Kirchen-Logo. Am
Wochenende steigt Rina an den Stränden von São Paulo selbst aufs Brett. Er ist
ein gewiefter Seelenfänger: Sechs Jahre lang hat er in der Marketing-Abteilung
von Nestlé gearbeitet.
Eine spirituelle Erfahrung habe ihn zur Gründung einer evangelischen
Pfingstgemeinde veranlasst, behauptet er. Seinen ersten Gottesdienst hielt er vor
Freunden in einem Spezialgeschäft für Surfer. »In meiner Generation gibt es ein
großes Bedürfnis nach Spiritualität, das die katholische Kirche nicht befriedigt«,
sagt er. »Religion galt als spießig. Also mussten wir uns etwas Neues ausden-
ken.«
Die Schneeballkirche ist auf ein jugendliches Zielpublikum zugeschnitten. Es
gibt keine Kleiderordnung, der Umgangston ist locker. »Gott achtet nicht auf das
Äußere«, sagt Rina. Er versteht sich als Entertainer im Dienst Gottes. In seine
Predigten flicht er Witze ein, Gläubige ruft er für kurze Showeinlagen auf die
Bühne. Erstklassige Rockmusiker untermalen seine Gottesdienste. Das Konzept
ist aufgegangen: 26 Kirchen betreibt Rina im ganzen Land, einige liegen an den
schönsten Stränden des Landes.
Surf-Pastor Rina vertritt eine neue Generation evangelischer Prediger. In sei-
ner Kirche steht nicht die Kollekte im Mittelpunkt wie in den traditionellen
Pfingstgemeinden. Sein Geld verdient Rina mit dem Verkauf von Surfklamotten
sowie CDs und DVDs mit den Musikprogrammen der Gottesdienste. Die
»Schneeballkirche« ist religiöses Wellnesszentrum und Multimediatempel. Ihr
Zielpublikum sind nicht die Armen, sondern die kaufkräftigen Kids der Mittel-
schicht. CDs von Pastor Rina erreichen schnell Auflagen von einigen hundert-
tausend Exemplaren.
Überall in Brasilien schießen neue Kirchen aus dem Boden, die an Rinas Er-
folg anknüpfen wollen. Allein in São Paulo wird täglich eine neue evangelische
Kirche gegründet. Es gibt Gotteshäuser für jeden Gusto und jeden Geldbeutel:
Einige bieten Wunderheilungen und Teufelsaustreibungen an, andere werben
mit Popmusik, manche konzentrieren sich ganz aufs Fernsehmarketing. Die
Gläubigen bedienen sich aus dem bunten Angebot wie im Supermarkt. Wenn ih-
nen ein Produkt nicht zusagt, wechseln sie zum nächsten.
Die Pfingstgemeinden predigen einen direkten Zugang zu Gott, während im
Katholizismus der Glaube über den Pfarrer vermittelt wird. »Die Katholiken ge-
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