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ben die Evangelikalen es nicht geschafft, die Acarajé-Verkäuferinnen zu vertrei-
ben, doch die Macht der Prediger wächst.
Die Pfingstkirchen sind Brasiliens Aufsteiger-Religion; sie haben der katho-
lischen Kirche in den vergangenen Jahren Millionen Gläubige abspenstig ge-
macht. Überall im Land schießen sie wie Pilze aus dem Boden. Offiziell gehö-
ren zwar immer noch über 60 Prozent der Brasilianer der katholischen Kirche
an, doch die Evangelikalen machen mittlerweile über 20 Prozent aus. In eini-
gen Regionen wie der Westzone von Rio stellen sie inzwischen die Mehrheit der
Gläubigen.
Sonntagabend in Perdizes, einem gutbürgerlichen Stadtteil von São Paulo:
Hunderte Teenies strömen zum Gottesdienst in ein ehemaliges Kino. Die Jun-
gen tragen Surfklamotten, die Mädchen sind grell geschminkt, sie haben bauch-
freie Tops und knallenge Jeans an. Die meisten Besucher haben eine Bibel unter
den Arm geklemmt. Plötzlich blenden Spotlights auf, das Publikum applaudiert
und pfeift wie bei einem Popkonzert. Lichtkegel richten sich auf einen unter-
setzten Mann in Jeans: Pastor Rinaldo Pereira, 34.
Der Prediger reißt die Arme zur Begrüßung hoch und tritt hinter ein auf-
gebocktes Surfbrett, das als Altar fungiert. Hinter ihm projiziert ein Laptop
kitschige Bilder von Berglandschaften und Sonnenuntergängen an die Wand.
»Gott will euch lächeln sehen!«, ruft der Geistliche in den überfüllten Saal. Die
Lautsprechertürme neben dem Altar vibrieren. »Jesus, Jesus!«, skandieren die
Zuhörer.
Willkommen zum Gottesdienst in der »Church Bola de Neve«, der »Schnee-
ballkirche«, einer von Hunderten evangelischen Pfingstgemeinden in São Pau-
lo. Rund 5000 Gläubige kommen jeden Sonntag zur Show von Pastor Rina,
wie der Geistliche genannt wird, die meisten sind unter 30. Während sich ihre
Altersgenossen in Shoppingmalls oder Pizzerias vergnügen, gehen die Teenies
von Perdizes zum Gottesdienst. »Pastor Rina ist hip!«, kreischt ein Mädchen
am Eingang.
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