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neur berief einen erfahrenen Polizisten zum neuen Sicherheitsminister: José
Mariano Beltrame kam von der Bundespolizei, er stammt aus dem südlichen
Bundesstaat Rio Grande do Sul und war unbelastet von der in Rio waltenden
Korruption.
Der Mann aus dem Süden entwickelte eine neue Strategie zur Verbrechens-
bekämpfung: Die Regierung richtete feste Revierwachen in den Favelas ein,
dort wurde eine neue »Friedenspolizei« stationiert. Die Beamten kamen direkt
von der Polizeiakademie, sie wurden in Menschenrechten unterrichtet und
müssen jedes Jahr rotieren. So will die Regierung verhindern, dass sie sich kor-
rumpieren lassen.
Pricilla de Oliveira Azevedo, 31, steht im Kampf um Rios Sicherheit an vor-
derster Front. Eine Orchidee, eine Bibel und ein Laptop schmücken ihren
Schreibtisch hoch über der Favela Santa Marta, einem Elendshügel in Botafogo
in der Südzone von Rio.
Die charmante junge Frau trägt die blaue Uniform der Militärpolizei, eine
Waffe ist in ihrem kleinen Amtszimmer nicht zu sehen. »Wir sind das neue Ge-
sicht der Polizei«, sagt Pricilla im schleppenden Singsang der Cariocas.
Normalerweise geben sich Rios Militärpolizisten als breitbeinige Rambos.
Über dem Bierbauch spannt eine kugelsichere Weste, die Hand liegt auf dem
Revolverhalfter, aus dem offenen Fenster der Streifenwagen ragt der Lauf eines
Schnellfeuergewehrs. Wer bei kleineren Verkehrsverstößen erwischt wird, re-
gelt das oft mit ein paar Scheinen. Viele Polizisten stehen auch auf der Lohnliste
der Drogenmafia. Wer überfallen wird, spart sich oft die Anzeige: Nicht einmal
zehn Prozent aller Verbrechen werden aufgeklärt.
Pricilla verkörpert die neue Polizei von Rio. Die Leute in der Favela grüßen
sie freundlich; sie rufen sie zur Hilfe, wenn es in der Ehe kracht oder der Nach-
bar zu laute Musik macht. Einen Mord gab es in Santa Marta seit über einem
Jahr nicht mehr, das ist auch Pricillas Verdienst. Sie leitet die erste »Polizeili-
che Befriedungseinheit« (UPP) von Rio.
Mit Hilfe der UPPs hat die Stadt das Olympia-Komitee überzeugt, dass die
Sieben-Millionen-Metropole trotz der hohen Kriminalität friedliche Olympi-
sche Spiele garantieren kann. Ein speziell auf die Olympiade zugeschnittenes
Sicherheitskonzept legte die Regierung nicht vor: »Wir wollen die Sicherheit
dauerhaft verbessern, nicht nur punktuell für drei oder vier Wochen«, sagte mir
Sicherheitsminister Beltrame.
Die Favela Santa Marta war bis Ende 2008 in der Gewalt des »Comando
Vermelho« (Rotes Kommando«), der größten und ältesten Verbrecherorgani-
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