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den Mund. Moskitoschwärme tanzen um seinen Kopf. Zur Regenzeit ist Malaria
im Amazonasgebiet so verbreitet wie in Europa die Grippe. Possuelo wirkt ent-
spannt, doch seine Aufmerksamkeit lässt keine Sekunde nach. Besorgt ermahnt
er seine Begleiter, nicht versehentlich auf die Tontöpfe am Boden zu treten.
Bloß keinen Ärger. Der Kontakt zu den Korubo ist zwar »etabliert«, wie es im
Funai-Jargon heißt, aber noch nicht »gefestigt«. Beim geringsten Anlass kann
die freundliche Stimmung in Aggression umschlagen.
Der Funai-Mann kennt die Geschichten von blutigen Zusammenstößen zwi-
schen Weißen und Indianern, und er weiß: Viele sind wahr.
Vor 30 Jahren erst hatten Holzfäller über feindselige Ureinwohner in einem
der letzten unerschlossenen Gebiete des Amazonasbeckens berichtet. Bei Er-
kundungsflügen fotografierten Funai-Mitarbeiter Hütten und Maisfelder der
Indianer. »Caceteiros« heißen die Korubo in der Sprache der Anwohner,
»Schläger«, weil sie mit langen Holzknüppeln bewaffnet sind. In den vergan-
genen 20 Jahren, so wird erzählt, hätten sie 24 Weiße getötet - unter ihnen
zwei Mitarbeiter des Staatskonzerns Petrobras, der im Indianergebiet nach Öl
gesucht hatte, aber keines fand.
Immer näher ist der Rest der Welt nun dem Lebensraum der Korubo ge-
rückt. Drei Tage dauert die Bootsfahrt von Tabatinga, einer schnellwachsenden
Stadt an der Grenze zu Kolumbien. Holzschmuggler, Wilderer und Drogen-
händler dringen immer tiefer in den Dschungel vor. Sie haben viele Korubo um-
gebracht und damit gewalttätige Reaktionen der Indianer provoziert. »Wir zäh-
len unsere Opfer«, sagt Possuelo. »Aber die Toten der Indianer verschluckt der
Wald.«
Drei hatte er kurz vor unserem Besuch freigegeben: Weiße hatten sie ermor-
det und am Ufer einer Lagune verscharrt. Als das Wasser nach Regenfällen an-
stieg, fanden Funai-Mitarbeiter die aufgeschwemmten Leichen.
Jahrelang versuchte die Behörde vergebens, Kontakt zu den Korubo auf-
zunehmen.
1984
lockten
die
Indianer
einen
Funai-Mitarbeiter
und
einen
Petrobras-Arbeiter in einen Hinterhalt.
Sie tanzten am Ufer und winkten freundlich zum Petrobras-Boot herüber,
das im Fluss verankert war. Der Funai-Mann, der die Ölarbeiter vor den Korubo
schützen sollte, setzte mit einem Begleiter ans Ufer über, sein Gewehr ließ er auf
dem Boot. Die Indianer führten die beiden in den Wald und fielen mit Knüp-
peln über sie her. Ihre Kollegen hörten die Todesschreie, aber als sie zu Hilfe
eilten, fanden sie nur noch die Leichen vor.
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