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der Grenze zu Peru. Dorthin, wo jene Brasilianer leben, die gerade erst lernen,
dass eine Welt jenseits ihrer Wälder existiert.
Rosa Delfine eskortieren die Barkasse, das gefleckte Fell eines Jaguars leuch-
tet durchs Unterholz. In der Ferne brüllen Affen. Ein verlassener Einbaum ist
das erste Zeichen für die Anwesenheit der Korubo. An einer Flussschleife du-
cken sich zwei Indianer in einem Kanu in die Uferböschung. Zwei weitere beob-
achten die Besucher vom Land aus. Aufgeregt laufen sie neben dem Boot her.
Sie holen es mühelos ein, und Possuelo, der die Bedeutung der Gesten und Zei-
chen im Urwald kennt, macht Lärm, macht Musik: »Mulher rendeira« schmet-
tert er, ein brasilianisches Volkslied.
Neun Erwachsene, zwei Jugendliche und vier Kinder haben sich am Ufer ver-
sammelt. Eine Frau trägt ein Baby auf dem Rücken, ein Junge hat einen klei-
nen Affen auf der Schulter. Ihre nackten Körper haben sie rot mit dem Farbstoff
Urucum bemalt. Die Männer tragen den Penis hochgebunden, sie haben ihn mit
Kordeln aus Pflanzenfasern geschmückt.
»Ané?«, fragen sie. »Wer seid ihr?«
Maiá, um die 30 Jahre alt und wohl die Älteste der Gruppe, fasst einer Besu-
cherin an die Bluse und ertastet den Büstenhalter. Sie kann sich kaum einkrie-
gen vor Lachen.
Behende durchstöbern die Indianer das Boot. Eine Schere und zwei Kaffee-
tassen behalten sie, der Fotograf fürchtet um seine Objektive. Aber sie verlieren
rasch das Interesse an den Dingen und legen sie achtlos beiseite.
Aufgeregt führen sie die Besucher in den Wald. Am Rande einer Lichtung,
die mit Mais bepflanzt ist, haben sie vier Hütten aus Palmwedeln errichtet.
Über einem Herdfeuer gart ein Affe.
Ein Junge kehrt von der Jagd zurück, auf dem Rücken trägt er ein Faultier.
Die Beute hat er mit der »Zarabatana« erlegt, einem rund vier Meter langen
Blasrohr, dessen federleichte Pfeile ein Korubo-Jäger mit Lianengift bestreicht.
Xixú, der Stammesälteste, bietet gegrillte Maiskolben an und den Saft der
Buruti, einer bitteren, mangoähnlichen Frucht. Ein Trunk, der offenbar nicht
nur als Erfrischung, sondern auch als Rauschmittel dient: Wie in Trance stimmt
Xixú einen schleppenden, traurigen Gesang an: »Re-Re tupi choe moxe, os-
maie.« Die indianischen Dolmetscher bleiben die Übersetzung schuldig. »Cho-
ro«, sagen sie nur. »Klagegesang«. Xixú fasst die Besucher an den Händen und
beginnt zu tanzen.
Possuelo tanzt mit, dann kümmert er sich um einen Jungen, der an Malaria
erkrankt ist, entnimmt eine Blutprobe, schiebt dem Kleinen eine Tablette in
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