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wurde er zum Bischof geweiht, aber in seiner Kathedrale ist er nur selten anzu-
treffen. Mit einem Geländewagen oder per Boot bereist er seinen Sprengel.
Auf einen Schlag bekannt wurde der streitbare Bischof 1983, als er an einem
Protestmarsch von Arbeitern einer Zuckerrohrfabrik teilnahm, die seit Mona-
ten keinen Lohn erhalten hatten. Gemeinsam mit den Demonstranten blockier-
te er die Transamazônica. Die Polizei räumte die Straße und nahm den Geistli-
chen fest. »Das beeindruckte die Leute«, erinnert er sich. »Sie hatten noch nie
einen Bischof in Polizeigewahrsam gesehen.«
Von da an war die Kirche voll, wenn Kräutler predigte. Er lehrte die Gläubi-
gen »nicht immer Ja und Amen« zu sagen. Das grenzt im Amazonasgebiet, wo
Sklavenarbeit und Lehnsherrschaft weit verbreitet sind, an einen Aufruf zur Re-
volution. Als Vorsitzender des indianischen Missionsrats CIMI setzte er sich da-
für ein, dass 1987 die Rechte der Ureinwohner in der Verfassung festgeschrie-
ben wurden.
Wenige Tage bevor das passierte, rammte ein Lkw Kräutlers Volkswagen;
sein Beifahrer, ein italienischer Priester, war sofort tot. Der Bischof prallte mit
dem Kopf auf das Lenkrad, sein Kiefer war zertrümmert, fast verlor er ein Au-
ge. Er bekam noch mit, wie der Fahrer des Lastwagens flüchtete, dann wurde er
bewusstlos. Nach dem Unfall drangen die Täter ins Krankenhaus ein. Sie schlu-
gen die Decke zurück, die den Leichnam des Italieners bedeckte, und klagten:
»Es hat den Falschen erwischt.«
Ärzte flickten den schwer verletzten Bischof zusammen, heute erinnert nur
der Abdruck des Lenkrads auf seinem Brustkorb an den Unfall. Kaum jemand
nimmt dem vitalen Bischof ab, dass er schon 73 Jahre alt ist. Jeden Morgen
walkt er fünf Kilometer durch Altamira, am liebsten trägt er Tennisschuhe und
Polohemd.
Für seine Leibwächter ist der ungezwungene Lebensstil ihres Schützlings ein
Alptraum. Er macht sich zu einem leichten Ziel für das »Mord-Konsortium«
(Kräutler), das auch den Tod von Dorothy Stang zu verantworten hat.
Die Feinde des Bischofs sind leicht zu erkennen: Sie haben bunte Aufkleber
mit der Aufschrift »Belo Monte gehört uns« auf ihre Geländewagen gepappt.
Das ist der Name des Staudamms, den die Regierung am Rio Xingú errichtet.
Tausende Hektar Urwald sollen überflutet werden, der Stausee wird bis an den
Stadtrand von Altamira reichen. Umweltschützer, Indianer und Kleinbauern
laufen Sturm gegen das Megaprojekt, Kräutler führt die Protestbewegung an.
Bei einer Demonstration von Geschäftsleuten, die den Bau des Staudamms
befürworten, drohte ein Redner: »Wir befinden uns im Krieg, wir müssen den
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