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eine kugelsichere Weste. »Wir schießen in den Kopf«, drohte die Mafia darauf-
hin. Die Rinderfarmen waren in ihrer Abwesenheit immer näher an ihre Sied-
lung herangerückt, heute ist sie praktisch umzingelt. Rancher riegeln die Wege
mit Zäunen ab und zerstören die Gummibäume.
Doch Nilcilene ließ sich nicht einschüchtern. Ihre Eltern waren Gummizap-
fer, sie stammt aus derselben Gegend wie Chico Mendes. Der Umweltaktivist
wurde 1989 von Auftragskillern ermordet, drei Jahre vor dem ersten UN-Um-
weltgipfel in Rio. Sein Tod löste eine weltweite Kampagne gegen die Abholzung
aus, aber seine Mörder sind auf freiem Fuß. Im April 2012 erschossen Pistoleros
Dinhana Nink, eine Bekannte von Nilcilene. »Sie betrieb eine kleine Bar, die als
Informationsbörse diente, und kannte die Pläne und Routen der Holzfäller und
Farmer«, erzählt Nilcilene. »Sie wollte sie anzeigen.« Ninks Mörder kamen im
Morgengrauen; als ihr Vater sie Stunden später fand, wischte ihr kleiner Sohn
das Blut von der Brust seiner Mutter.
Wenige Tage nach Ninks Tod postierte sich ein Pistolero mit einem Motorrad
vor dem Haus von Nilcilenes Lebensgefährten, bei dem sie untergeschlüpft war.
Ihre Leibwächter bekamen es mit der Angst zu tun; sie fürchteten einen Hin-
terhalt und zwangen sie, die Region zu verlassen. Die Holzhändler schlachteten
zur Feier einen Ochsen.
Jetzt geht der Raubbau in der Gegend ungebremst weiter. Rinderfarmen sto-
ßen immer weiter in den Süden des Bundesstaats Amazonas vor, Sojalaster
donnern über die Bundesstraße BR-364, das Endstück der berühmten Transa-
mazônica.
Im Jahr 1970 ließen die damals regierenden Militärs die Schneise in den
Dschungel schlagen. »Land ohne Leute für Leute ohne Land«, versprach die
Regierung. Die Aussicht auf kostenlose Grundstücke lockte Zehntausende Sied-
ler aus dem armen Nordosten an. Zur Eröffnung der Bauarbeiten fällte Präsi-
dent Emilio Garrestazu Médici einen 50 Meter hohen Paranussbaum, die Re-
gierung errichtete ein pompöses Denkmal.
Heute ist das Monument am Stadtrand von Altamira verfallen, nur eine ver-
rostete Fahnenstange und der Baumstumpf stehen noch. Die Transamazônica
wurde nie asphaltiert, in der Regenzeit versinken Autos und Lkws in riesigen
Schlammlöchern. Oft ist die Piste gesperrt.
Am Straßenrand hausen Habenichtse und Tagelöhner in Verschlägen aus
Brettern und Plastikplanen. Die Skelette verkohlter Paranussbäume ragen wie
Totenkrallen in den Himmel, klapprige Rinder weiden zwischen den Stümpfen
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