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Dörfer verlassen haben - die größte
Völkerwanderung aller Zeiten -, müs-
sen im Land eine neue Heimat bekom-
men. Ein gewaltiger Prozess, der bis-
lang erstaunlich friedlich verläuft. Seit
zehn Jahren werden in Hunderttau-
senden Dörfern die Bürgermeister frei
gewählt, und für die allermeisten Par-
teiämter werden mittlerweile mehrere
Kandidaten aufgestellt. 2008 trat erst-
mals in der Geschichte Chinas ein Ar-
beitsvertragsrecht in Kraft, das allen
Chinesen das Recht auf einen Arbeits-
vertrag garantiert. Diese und viele an-
dere große Schritte, die im Westen
gerne als bedeutungslose Alibimaß-
nahmen abgekanzelt werden, sind tat-
sächlich Meilensteine auf dem Weg zu
einer gerechteren und darauf aufbau-
end vielleicht sogar eines Tages demo-
kratischeren chinesischen Gesellschaft.
schaftskonzeption vielleicht doch nicht
so universell ist. Chinas Führung entwi-
ckelt inzwischen eigene Vorstellungen,
was sinnvoll für die Welt sein könnte.
Diese Ideen decken sich nicht immer
mit denen des Westens. China als Su-
permacht des Ostens und die westli-
chen Industrienationen sitzen dank der
Globalisierung in einem Boot. Es ist also
sinnlos, angesichts dieser gegenseiti-
gen Abhängigkeit auszuprobieren, wer
am längeren Hebel sitzt, oder sich der
Illusion hinzugeben, die eigenen Inte-
ressen in diesen Fragen seien gewichti-
ger als die der anderen. China und der
Westen sind dazu verdammt, jenseits
aller Drohgebärden echte Kompro-
misse im Miteinander zu finden. Und je
eher sie Leibniz' Rat folgen, desto bes-
ser für beide Seiten.
Literaturtipp
Georg Blume: China ist kein Reich
des Bösen. Trotz Tibet muss Berlin
auf Peking setzen. Hamburg 2008.
Der Standpunkt des Zeit-Korres-
pondenten Georg Blume gehört
zu den lesenswertesten Veröffent-
lichungen zu China der letzten
Jahre. Virtuos zeigt er auf, dass
man China durchaus in vielem kri-
tisieren kann und muss, genauso
aber scheut er sich nicht, mit Vor-
urteilen gegenüber dem Land auf-
zuräumen und die Leistungen der
Modernisierung zu würdigen.
… und kleine Schritte
Die unglaubliche Geschwindigkeit der
Transformation Chinas hat bei vielen
Beobachtern dafür gesorgt, dass ihnen
das Gespür für langsamere Entwicklun-
gen verloren gegangen ist. Die gesell-
schaftlichen und institutionellen Vo-
raussetzungen, die auch im Westen für
die Durchsetzung der Menschenrechte
erforderlich waren, werden in China
aber gerade erst geschaffen. Wohin die
Reise letztendlich geht, ist sicherlich
noch offen, denn keine andere Nation
macht deutlicher, dass unsere Gesell-
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