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Im alten China glaubte man, dass die
Seele eines Verstorbenen beliebig im
Diesseits wandeln und den Menschen
Glück und Unglück bringen könne.
Entsprechend mussten die Seelen der
Ahnen nicht nur durch bestimmte Ri-
tuale, die durch den Ahnenkult vorge-
geben waren, zufriedengestellt wer-
den, auch die irdischen ›Wohnstätten‹
mussten der Bedeutung der Verstorbe-
nen im Jenseits Rechnung tragen. Ent-
sprechend dem Rang eines Kaisers
spiegelte sich in der Konstruktion des
Mausoleums symbolisch der Aufbau
des Kaiserpalasts, und jeder Kaiser ließ
schon zu Lebzeiten die oft jahrzehnte-
langen Bauarbeiten beginnen und in-
spizierte ihren Fortschritt.
Hinter dem Pavillon beginnt die Al-
lee der Steinernen Statuen, auch Geis-
terstraße, Heiliger Weg oder Weg der
Seelen (Shen Dao ) genannt. An-
ders als bei den Grabanlagen früherer
Dynastien üblich, teilen sich die 13
Ming-Gräber, aber auch die Qing-Grä-
ber einen gemeinsamen Weg der See-
len, der zunächst auf das Grab des ers-
ten hier bestatteten Kaisers, das Chang
Ling für den Yongle-Kaiser (bei den
Östlichen Qing-Gräbern auf das Xiao
Ling), zuläuft und sich dann verzweigt,
um in zahlreichen Biegungen auf die
einzelnen Grabstätten zuführen.
Die Seelenwächter
Aber egal ob gerade oder gebogen,
nie fehlen die Skulpturengruppen , die
im Fall der Ming-Gräber aus zwölf
Beamten- und 24 Tierskulpturen be-
stehen. Jede dieser Skulpturen wurde
aus je einem weißen Steinblock ge-
hauen. Die Beamten symbolisieren die
Loyalität zum Kaiser, während die
Tiere als Tag- und Nachtwachen für die
Verstorbenen stehen. Jedes der Tiere
hat dabei eine eigene Symbolik. Der
Löwe steht aufgrund seiner Kraft und
Würde für ehrfurchtsvollen Respekt.
Kamel (Abb. S. 264) und Elefant waren
zuverlässige Lasttiere in Wüsten- und
Tropenregionen und symbolisieren die
Weite des chinesischen Territoriums.
Das Xiezhi ist ein mythisches Einhorn,
dem nachgesagt wurde, dass es zwi-
schen Gut und Böse unterscheiden und
daher böse Menschen erkennen
könne. Es sollte böse Einflüsse von den
Gräbern fernhalten. Das Qilin wie-
derum ist eines der vier göttlichen
Tiere (zusammen mit Drache, Phönix
und Schildkröte) und schuf durch seine
Anwesenheit ein günstiges Ambiente
für das Grab. Das kaiserliche Reitpferd
durfte schließlich im Reigen der Tiere
ebenfalls nicht fehlen.
Der Weg der Seelen
Auf dem Weg zum Chang Ling passiert
man zunächst ein Ehrentor (Shi Paifang
) aus weißem Marmor, das den
Beginn des 7 km langen Weges der See-
len schmückt. Sechs Säulen tragen das
430 Jahre alte und 29 m breite Tor. Da-
hinter folgt das Haupttor, das Große
Palasttor (Dagong Men ), das
manchmal wegen seiner Farbe auch
Großes Rotes Tor (Da Hongmen) ge-
nannt wird. Früher verlief von hier aus
eine 40 km lange Schutzmauer mit zehn
Wachtürmen um die Grabanlagen. Zu
beiden Seiten des Tores verkündet eine
Tafel den Befehl, dass 100 Fuß vor dem
Tor alle militärischen und zivilen Wür-
denträger vom Pferd abzusteigen hat-
ten. Eine Zuwiderhandlung galt als
Missachtung des Kaisers. Das Dahong
Men war einst mit drei schweren Holz-
toren verschlossen, deren mittleres nur
anlässlich der Beerdigung eines Kaisers
geöffnet wurde. Etwa 500 m hinter
dem Haupttor erreicht man den Stelen-
pavillon (Bei Ting ) von 1426, der
eine 6,5 m hohe, von einer Schildkröte
getragene Marmorstele birgt.
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