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»Ich habe immer das Beispiel vom Eif-
felturm im Kopf, der ja auch gebaut
wurde für einen temporären Event …
Der Eiffelturm ist heute allen zugäng-
lich und funktioniert wie eine beklet-
terbare öffentliche Skulptur … und das
wäre eine tolle postolympische Funk-
tion für das Stadion.« Jacques Herzog
sein, den Besuchern aber dennoch ein
Gefühl von Geschlossenheit und Ge-
borgenheit vermitteln sollte. Zusätz-
lich musste der Entwurf verschiedene
Elemente der chinesischen Kunst und
Kultur vereinen.
Tradition und Moderne
Die Architekten Herzog & de Meuron
verfielen daher auf die Idee, das Sta-
dion in Form eines Vogelnestes zu ge-
stalten: außen die Stahlkonstruktion
und innen die Schüssel für die eigent-
liche Arena. Die Idee dafür schauten
sie sich bei den traditionellen chinesi-
schen Fenstern mit ihrer Gitterstruktur
und der alten Keramik mit ihren fei-
nen, wie Risse wirkenden Netzmustern
ab. Seit Urzeiten wurden Gebrauchs-
gegenstände mit solchen regelmäßi-
gen Mustern geschmückt. Während
man webt, stickt oder häkelt, wachsen
langsam Muster heran und erobern die
Fläche. Diese Muster bezaubern mit ih-
rer einfachen Linienführung und we-
cken ein Gefühl für formvollendete
Schönheit. Damit schlugen Herzog &
de Meuron den Bogen aus der fernen
Vergangenheit in die Moderne.
»Neues Beijing - Großartige
Olympiade« - das Motto
Vom 8. bis zum 24. August 2008 fanden
in Beijing die Olympischen Spiele und
vom 6. bis zum 17. September dessel-
ben Jahres die Paralympics statt. Die
Stadtväter nahmen das Motto wörtlich.
Mehr als 30 Mrd. Euro wurden verbaut,
denn natürlich mussten auch die Olym-
piasportstätten alles bisher Dagewe-
sene übertreffen. Nebenbei wurden
ganze Stadtviertel abgerissen und neu
wieder aufgebaut und über 100 Kul-
turdenkmäler restauriert und teilweise
sogar erstmals seit ihrer Schließung
oder Zerstörung während der Kultur-
revolution wieder der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. Den unbestritte-
nen architektonischen Höhepunkt der
Spiele allerdings bildete das National
Stadium, mit dem China der Welt zei-
gen wollte, dass das Reich der Mitte
nicht nur in der Moderne angekom-
men, sondern in die Liga der Global
Player zurückgekehrt ist. Zusammen
mit dem National Aquatics Center
(›Wasserwürfel‹, s. S. 211) gleich west-
lich des Stadions bilden die beiden Are-
nen übrigens eine Verlängerung der al-
ten Süd-Nord-Achse der Stadt. Das ge-
samte Areal endet am alten Verlauf der
Stadtmauer aus der Yuan-Zeit, als Bei-
jing die größte Ausdehnung seiner Ge-
schichte bis in die 1990er-Jahre hatte.
Von der Struktur zum Raum
Die Raumwirkung des Stadions ist neu-
artig und radikal und doch von einfa-
cher, ja beinahe archaischer Unmittel-
barkeit. Sie erscheint als reine Struktur,
da Hülle und Struktur identisch sind.
Die Strukturelemente stützen sich ge-
genseitig und verbinden sich zu einem
räumlichen, gitterartigen Gebilde, das
Fassadenelemente, Treppen, Stadion-
kessel und Dach in sich aufnimmt. Um
das Dach wetterfest zu machen, wur-
den die Zwischenräume der Gitter-
struktur mit einer lichtdurchlässigen
Membran ausgefüllt, genau wie Vögel
die Ritzen im Zweiggeflecht ihrer Nes-
ter mit weicherem Material abdichten.
Architektonische Vorgaben
Die Ausschreibung gab vor, dass das
Nationalstadion durchlässig und offen
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