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Kapitel VI Bethlehem und über die Alleghany's nach Pittsburg
Der letzte Tag unseres Aufenthalts in Allentown beglückt uns mit sonnigem Wetter und ho-
hen Lufttemperaturen. Wir haben uns ein schattiges Plätzchen im Warteraum der Bussta-
tion gesucht und beobachten die seelenruhig wartenden Fahrgäste am Busterminal in Rich-
tung Harrisburg. Der Greyhound-Bus, der aus New York kommt, verspätet sich um zwanzig
Minuten.
Auffällig an der Gruppe unserer Mitreisenden ist der hohe Anteil junger Leute und
Menschen südamerikanischer Herkunft. Die amerikanische Mittel- und Oberschicht reist
nicht mit dem Bus, das bleibt den einkommensschwächeren Gruppen vorbehalten, die pre-
iswert von A nach B kommen möchten. Unsere anfängliche Unsicherheit gegenüber dem
bunten und multikulturellen Reisepublikum verflüchtigt sich schnell.
Als unser Gepäck verstaut ist und wir im Bus sitzen, legt der Fahrer ein Höllentempo vor,
um die Verspätung aufzuholen. Ich muss an Wied denken, der am 17. September 1832 süd-
lich von uns auf der heutigen US-Route 222 bzw. 422 mit der Kutsche nach Harrisburg
gefahren ist. Der Prinz benötigte für die 81 Meilen nahezu zwei Tage, wir hingegen sind
knappe eineinhalb Stunden unterwegs. Während Wied die dichten Hickory-Wälder der Oli-
Mountains zu seiner Rechten hatte, durch das Grün saftiger Wiesen rumpelte und wildro-
mantische Flüsse querte, treibt unser Fahrer den Greyhound auf der Überholspur durch den
Güterverkehr der Interstate 78. Rechts sehen wir die endlos bewaldeten Hügel der Allegh-
enies, die eine intakte und unzerstörbare Wildnis vortäuschen, als streife Daniel Boone noch
immer durch die unberührten Wälder Pennsylvanias, Kentuckys oder Tennessees.
Unser Fahrer rast mit unserem Bus an Hamburg, Strausstown, Schubert, Bethel und anderen
deutschstämmigen Ansiedlungen vorbei, bis uns mit den eintönigen architektonischen
Zweckbauten jene vollklimatisierten Albträume begrüßen, die für die Außenbezirke amerik-
anischer Großstädte kennzeichnend sind: in diesem Fall die großflächigen Gebäude und
Hallen der Industrieanlagen, Werkstätten, Tankstellen und Einkaufszentren an der östlichen
Peripherie Harrisburgs - der Hauptstadt des Staates Pennsylvania.
Zu Wieds Zeit war Harrisburg eine kleine Stadt mit 5 000 Einwohnern, die vornehmlich
noch aus Holzhäusern bestand. Er erwähnte die akkurate Anordnung der rechtwinkligen
Straßenzüge und beschrieb die Lage der Hauptstadt zwischen dem breiten und träge dah-
infließenden Fluss Susquehanna und dem Union Canal lediglich mit knappen Worten,
hob aber als besondere Sehenswürdigkeiten das State Capitol und die lange, komplett mit
Glasfenstern geschlossene Holzbrücke über dem Susquehanna hervor. Wied betonte die
malerische Aussicht auf die vielen bewaldeten Inseln im Fluss, ohne zu ahnen, dass das
Wasser des Susquehannas bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts durch intensive Tierhaltung,
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