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Am 18. Juli, einem Samstag, verlassen wir den Rancho RV Park im Lärm der Schienenger-
äusche eines vorbeirollenden Zuges. Es ist Erntezeit, das Heu wird eingeholt, die Strohbal-
len werden abtransportiert. Auf ein Stoppschild hat jemand gesprayt: „Don't stop believ-
ing“. Unter den schattigen Bäumen der Flussniederung finden wir ein wildromantisches
Plätzchen für unsere Mittagspause. Der Milk River bildet die Grenze zur Reservation. Die
Leere der kargen Landschaft ist ebenso grandios wie die endlose, fast brettflache Prärie.
Wir fahren in der glühenden Mittagshitze, die Straße flimmert, die Luft vibriert. Unser
heutiges Tagesziel ist der Fort Peck Dam. Der Stausee Fort Peck Lake ist 216 Kilometer
lang, hat eine Uferlänge von 2 432 Kilometern sowie eine maximale Tiefe von 67 Metern
und ist damit der fünftgrößte in den Vereinigen Staaten. Der Fort Peck Staudamm ist mit
seinem Gesamtvolumen von rund 96 Millionen m³ der neuntgrößte der Erde und erzeugt
mit dem angeschlossenen Wasserkraftwerk und fünf Turbinen eine Leistung von 185,25
Megawatt. Der Stausee liegt in dem Charles M. Russell National Wildlife Refuge, das
bekannt ist für seine Dinosaurier-Fossilienfunde.
Auf dem Westend Campground bekommen wir noch einen der wenigen freien Stellplätze,
von dem aus wir einen erstklassigen Blick auf den Fort Peck Lake und die ehemalige
Mündung des Big Dry Creeks haben. In Fort Peck arbeiten und leben die Mitarbeiter des
Kraftwerks. Die kleine Ansiedlung sieht so sauber und gepflegt, so uramerikanisch aus,
wie man es nur aus Heile-Welt-Filmen kennt. Einige Verwaltungsgebäude stammen noch
aus den dreißiger Jahren, als der Staudamm gebaut wurde. Auf dem Montana Highway
24 überqueren wir den über 6 000 Meter langen Staudamm. Ein imposantes Panorama:
hinter uns die gestaute Flusslandschaft, vor uns die weite Wasseroberfläche des Stausees.
Am östlichen Ende des Damms stehen vier kleinere Gebäude, die Teil der Kraftwerksan-
lage sind, die Emergency Shaft Buildings. Hier befinden sich die Turbinen, die das Wasser
hochpumpen und in Energie umwandeln. Der Damm ist zur Seeseite hin durch Findlinge
gesichert.
Zu diesen Findlingen gibt es eine interessante Geschichte: Die Steine besorgte man sich
beim Bau des Dammes bei den Indianern in der Reservation. Dort, wo die Findlinge lagen,
wimmelte es von Rattlesnakes und Bullsnakes. Das Arbeiten an dieser Stelle war ein kom-
pliziertes und gefährliches Unterfangen. Unter den Steinen war auch ein Kind beerdigt
worden, das an einem Schlangenbiss gestorben war. Als die Steine aus der Umgebung des
Grabes abtransportiert werden sollten, musste die Familie des verstorbenen Kindes ihr Ein-
verständnis geben, was sie auch taten, unter der Bedingung, dass das Kind umgebettet wer-
den sollte. Als man nach dem Leichnam oder dem, was noch übrig geblieben war, suchte,
fand man - nichts. Es herrschte große Aufregung bei den Indianern, keine Findlinge durften
mehr abgeholt werden. Die Lösung des Problems kam in Gestalt einer Medizinfrau, die
über Nacht an dem besagten Ort blieb und am nächsten Tag eine Erklärung parat hatte: Das
Kind war von einer heiligen Riesenschlange komplett vertilgt worden. Von diesem Moment
an durften zwar wieder Steine wegtransportiert werden, aber nicht mehr aus der näheren
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