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bekomme ich von ihm ein rot bemaltes Stöckchen mit einem kleinen Beutel Tabak dran.
Dieser Glücksbringer soll uns auf der weiteren Reise beschützen.
Seit einigen Tagen bereiten mir Schleifgeräusche an dem VW-Bus Sorgen. Wolf Point, Re-
paraturwerkstatt Pro Tire: Jeff - ein junger Mann, aber eindeutig der Chef - fährt mit dem
Bus eine Runde um den Block, horcht, und holt einen Kollegen dazu. Sie beratschlagen
sich. Der VW wird aufgebockt, die Reifen abmontiert. Es wird geklopft und geschraubt,
bald steht die Diagnose fest: „Broken brake shoes“, gebrochene Bremsbacken an beiden
vorderen Reifen. „In a couple of hours“ können wir den Wagen abholen. Wir bummeln in
der Zwischenzeit durch Wolf Point. Auf der anderen Straßenseite spaziert forsch ein Cow-
boy entlang, erst beim näheren Hinsehen sieht man, dass es sich um einen älteren Herrn um
die achtzig Jahre handelt. Vor einem Holzhaus hängt ein Schild: „The Lord's Table began
as a vision of Pastor Danny Lindsay of Overcomer's Church, a non-denominational church
in Wolf Point, Montana. It is situated on a SiouxAssiniboine Indian Reservation in the NE
corner of the state in the midst of a farming/ranching community. We serve approx 1200
plates a month, lots of children, please help...Thank you.“
In Wolf Point leben die meisten Indianer im Süden der Stadt in einem ärmlichen Viertel, in
der Idaho Street stehen nur noch Fragmente eines abgebrannten Hauses. Mehrere Häuser
sind demoliert, Türen und Fenster zugenagelt. In der Roosevelt County Library, in dem
auch das Historical Society Museum & Art Galery untergebracht ist, werden wir von Her-
mann, 79, und seiner Frau begrüßt. Hermanns Vorfahren immigrierten aus Norwegen in die
Vereinigten Staaten. Er hat einen Sohn, der mit einer Indianerin verheiratet ist. Hermann ist
auf einer Farm in Wolf Point aufgewachsen und hat sein ganzes Leben hier verbracht. Er ist
mit den Indianern groß geworden, sein bester Freund ist einer von ihnen. Sie sind zusam-
men zur Schule gegangen. Ich frage nach dem Verhältnis zwischen Weißen und Indianern.
Hermann meint, dass es keine Schwierigkeiten im Zusammenleben gebe. Dass die Indian-
er Probleme mit Alkohol und Drogen haben, sei jedoch unbestritten, und dieses Problem
bekämen sie auch nur schlecht in den Griff. Heikel sei auch die hohe Arbeitslosigkeit bei
den Indianern. Ich erzähle Hermann die Geschichte von Ron mit den verhafteten weißen
Drogendealern. Lachend meint er, dass es gut möglich sei, dass die Polizei selbst der Dealer
ist. Der Familienzusammenhalt der Indianer sei sehr ausgeprägt. Es gebe Indianer, die
jahrelang außerhalb der Reservation gelebt haben und bei ihrer Rückkehr wieder in die al-
ten, oft negativen Verhaltensmuster zurückfallen. Das Gleiche gelte auch für die jungen In-
dianer, die ihre Ausbildung außerhalb der Reservation machen, dort dem Alkohol und den
Drogen entsagen, und wenn sie zurückkehren, sofort wieder in den alten Trott verfallen.
Die meisten Indianer würden nicht gern in der Reservation leben, sondern empfinden sie
etwas Aufgezwungenes und nicht als ihre Heimat.
Im Pro Tire Auto Repair Shop treffen wir auf einen gut gelaunten Jeff. Die Bremsbacken
sind montiert, der VW-Bus ist wieder fahrbereit.
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