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Mit einem freundlichen Lächeln erzählt er mir dann von seiner Zeit als Traditional Indian
Dancer. In Deutschland tanzten sie damals vor 8 000 Leuten und wurden von schwer be-
waffneten Polizisten beschützt. Nach dem Besuch eines Volksfestes wurden sie von recht-
sradikalen Skinheads verfolgt, bis die Polizei die Nazis vertrieb.
Ron räumt ein, dass es Alkohol- und Drogenprobleme gibt. Die Kreuze an den Straßen-
rändern erinnern an die Drogentoten. Die Polizei verhaftete in den letzten Monaten viele
Dealer, doch Ron bezweifelt, dass diese Maßnahme ausreichen wird, um das Drogenprob-
lem zu lösen. Er schaut mich mit traurigen Augen an. Die Dealer, betont er, sind aus-
nahmslos Weiße. Die hohe Arbeitslosigkeit und die fehlenden Zukunftsaussichten in den
Reservaten verstärken unter seinen Brüdern und Schwestern die Flucht in die Drogenwelt.
Er selbst, so bemerkt Ron mit einem gewissen Stolz, hat sechs Kinder, aber keines von
ihnen raucht, trinkt oder nimmt Drogen.
Ich erfahre, dass seine Frau eine Weiße war, die vor einigen Jahren an Krebs starb. Er
lernte sie nach seiner Kriegsverletzung in Vietnam kennen, wo sie ihn als Krankenschwest-
er betreute. Sie erzogen ihre Kinder nach den Maßstäben der Weißen und ermöglichten
ihnen eine sehr gute Bildung. Ein Sohn wurde Multimillionär in der Telekommunikations-
branche. Nach dem Tod seiner Frau verschenkte Ron seine beiden Häuser in Oregon an
seine Kinder und kehrte in die Reservation zurück. Schließlich ist er in dieser Gegend
aufgewachsen und will − wie viele seiner Stammesbrüder auch - für den Rest seines
Lebens wieder dort leben, wo er aufgewachsen ist.
Nur wenn es ihm in Montana zu kalt wird, fährt er die 1 100 Meilen zu seinen Kindern
in das sonnige Oregon. Bei ihnen besitzt er noch sein Zimmer, das er mit traditionellem
Indianerschmuck dekoriert hat. Dort befinden sich seine Tanztrophäen und Erinnerungs-
fotos aus der Zeit, als er noch erfolgreich in der Baubranche tätig war und unter anderem
ein riesiges Sportstadion als Vorarbeiter einer hundertköpfigen Baukolonne hochgezogen
hat. Später arbeitete er dann als Organisator für den Bühnenaufbau großer Konzerthallen
und traf neben anderen bekannten Stars auch einmal Elvis Presley, der Ron mit seinen lan-
gen Zöpfen anblickte und bewundernd sagte: „Oh, a native, an Indian.“ Ron ahmt gekonnt
Elvis' Stimme nach und lacht schallend.
Dann verklärt sich sein Gesicht ein wenig. Ron erinnert sich an seinen Großvater, der ihm
einst vorausgesagt hatte, dass er einmal wie ein Adler fliegen werde. Als Ron Jahre später
Fallschirmspringer im Vietnamkrieg wurde, wusste er, was sein Großvater gemeint hatte.
„Indianer haben keine Angst“, sagt er stolz, „deshalb bin ich Elitesoldat geworden.“ Natür-
lich, räumt Ron ein, habe er sich als Indianer gefragt, was er in Vietnam zu suchen hat,
doch schließlich ist der Amerikaner in ihm stärker gewesen. Damals sprang er als Fall-
schirmjäger aus großen
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