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fahren wir, dass das marode Gelände nicht ihm, sondern einem Weißen gehört, den der
Zustand des Rancho Parks nicht zu stören scheint.
Ron wird für mich in den folgenden Tagen immer mehr zu einer unerschöpflichen Inform-
ationsquelle.
Während wir uns für die Nacht einrichten, erscheinen noch einige Neuankömmlinge,
darunter zwei Radfahrer, die hastig ihr Zelt aufschlagen, da sich erneut ein Unwetter
ankündigt.
Wenn ich an dieser Stelle sage, dass das Gewitter, das in dieser Nacht tobt, das heftigste
Gewitter ist, das ich jemals erlebt habe, darf mir das jeder Leser glauben − doch keiner
dieser hartgesottenen Bewohner Montanas würde mir zustimmen. Die Blitze kommen aus
allen Richtungen und erhellen den Nachthimmel, der aussieht wie elektrisch aufgeladen,
im Sekundentakt. Die nachfolgenden Schockwellen erzeugen einen Donner von nie zuvor
gehörter Lautstärke. Es ist ein Gefühl, als ob die Götter einen Kampf mit Blitzschwertern
ausfechten.
Am nächsten Morgen beobachten wir, wie der Campingplatzbesitzer Ron mit dem
Zeigefinger heranwinkt und ihm irgendwelche Instruktionen erteilt. Minuten später beginnt
der Indianer auf einem kleinen befahrbaren Rasenmäher den Rasen zu mähen.
Als Ron uns vor dem VW-Bus entdeckt, macht er an unserem Stellplatz Halt, um einen
kleinen Plausch zu halten. Dabei fällt mir auf, dass er auf einer Seite seines Kiefers keine
Zähne mehr hat. Doch arm scheint Ron nicht zu sein, denn er erwähnt, dass er auf beiden
Seiten des Missouris Land besitzt, auf dem man Öl gefunden hat. Er hofft, dass sich die
Ausbeutung der Ölquellen lohnt. Außerdem erfahren wir, dass er sich seit seiner Kindheit
so gut mit Heilpflanzen auskennt, dass seine Lehrer von ihm lernen konnten. Seitdem gilt
er in seinem Stamm als Medizinmann, der bei Krankheiten um Rat gefragt wird. Seine
Vorfahren haben ihn gelehrt, in größeren Zusammenhängen zu denken, ganzheitlich sozus-
agen, und den Menschen als eine Summe von Körper, Geist und Seele zu betrachten. Selbst
Krebskranke hat er angeblich schon geheilt. Nachdem er meine Frage, ob ich ihn mal zu
einem kleinen Pow-Wow in seinem Büro besuchen dürfe, lachend bejaht hat, widmet er
sich wieder der Rasenpflege und knattert auf dem Mäher davon.
Nachmittags besuche ich Ron wie angekündigt im Motelzimmer No.1. An den Wänden
hängen Familienbilder und Trophäen. Einige seiner gewonnenen Pokale stehen neben dem
laufenden Fernseher, der auch während meines Besuches nicht ausgeschaltet wird.
Ron bietet mir einen Stuhl an und antwortet ohne zu zögern auf meine Fragen. Er spricht
langsam in einem melodischen Sound. Dabei wirkt er zufrieden, ist offenbar im Einklang
mit sich selbst und erklärt, dass es seine Bestimmung sei, sein Volk zu beraten, den Miss-
brauch von Drogen und Alkohol zu bekämpfen und die Natur - besonders in der Reserva-
tion - zu schützen.
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